Die Finanzmärkte waren diese Woche auf Erholungskurs, denn Russland nahm seine Gaslieferungen wieder auf. Die EZB kündigte an, den Leitzins um 50 Basispunkte anzuheben. Damit will sie dem Inflationsdruck entgegenwirken, nachdem die Teuerungsrate im Euroraum mit 8,6 % im Juni einen neuen Höchstwert erreicht hat. Die Angst vor einer weltweiten Konjunkturverlangsamung und einer Rezession steckt jedoch noch immer in den Köpfen der Marktteilnehmer und könnte erneut für Volatilität sorgen. Derweil will die US-Notenbank Fed nächste Woche den Leitzins um weitere 75 Basispunkte anheben, was die US-Wirtschaft mittelfristig belasten dürfte.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
425.71  +2.88%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
3961.63  +2.55%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
27914.66  +4.20%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1726.40$  +0.94%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
103.60  +2.81%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.02$  +1.12%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops 

Coinbase (+34 %): Nach zwölf katastrophalen Börsenmonaten scheint die Aktie bei Käufern wieder stärker gefragt. Die Kryptobörse beruhigte die Anleger am Mittwoch mit der Erklärung, dass die aktuellen Liquiditätsprobleme bei den Unternehmen Celsius, Three Arrows Capital und Voyager die Coinbase-Gruppe nicht betreffen und sich nur speziell auf das Kreditgeschäft, nicht aber auf das Kryptogeschäft im Allgemeinen beziehen. Erfreulich war unter anderem auch die Meldung, dass Coinbase die behördliche Genehmigung erhalten hat, in Italien seine Dienste anzubieten. Gegen einen früheren Mitarbeiter wurde unterdessen Anklage wegen Insiderhandels erhoben. Er soll vertrauliche Informationen von Coinbase an seinen Bruder und einen Freund weitergegeben haben, um illegale Gewinne in Höhe von 1,5 Mio. Euro einzustreichen.

Shopify (+21 %): Die Aktie erreichte das obere Ende der Spanne, in der sie sich seit Mai bewegt. Auslöser für die äußerst dynamische Aufwärtsbewegung war die neue Partnerschaft zwischen YouTube und dem E-Commerce-Konzern. Die Videoplattform ist eine Tochtergesellschaft des Internetriesen Alphabet und erklärte, dass die Zusammenarbeit es Content-Erstellern und Online-Händlern ermöglichen soll, ihre Produkte direkt von ihrem YouTube-Kanal aus zu präsentieren. Die Ersteller von Videos können die von ihnen vermarkteten Artikel von Shopify aus anzeigen lassen und die Funktion "Echtzeit-Bestandsstatus" nutzen.

EDF (+23 %): Die Aktie von EDF hielt sich in der Riege der Besten und profitierte vom Rückkaufangebot in Höhe von 12 EUR je Aktie, das die französische Regierung am Dienstagmorgen vorgelegt hatte. Frankreich will für die vollständige Übernahme des Stromkonzerns 9,7 Mrd. EUR zahlen und ihn von der Börse nehmen. Nachdem der Preis nun feststeht, sind wir gespannt auf die Reaktion der Mitarbeiter, die historisch Hunderte von Aktien halten.

Didi Global (+22 %): Der chinesische Ride-Hailing-Riese hat die gegen ihn verhängte Geldstrafe bezahlt. Daraufhin hat die chinesische Regierung ihre Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Das Unternehmen kann seine App nun wieder in den Appstores anbieten und eine Zweitnotierung ins Visier nehmen.

ASM International N.V. (+20 %): Das Unternehmen meldete zufriedenstellende Ergebnisse für das 2. Quartal 2022. Doch vor allem der optimistische Ausblick der Unternehmensleitung auf das 2. Halbjahr brachte die Aktie im Laufe der Woche wieder in Fahrt. Aktuell scheinen die Prognosen im Mittelpunkt zu stehen. Angesichts des Rekordauftragsbestands rechnet das Unternehmen damit, dass der Umsatz im 4. Quartal stark wachsen und die Erwartungen übertreffen wird. Die Unternehmensleitung wies auf die anhaltenden Lieferkettenprobleme hin.

ASML Holding N.V. (+13 %): Im Anschluss an die steile Talfahrt (fast -50 % seit den Höchstständen) erholt sich die Aktie ebenso wie der gesamte Sektor und zeigte eine der dynamischsten Entwicklungen. Die am Mittwoch veröffentlichten Ergebnisse für das 2. Quartal lagen leicht über den Erwartungen. Die Umsatzprognose für 2022 wurde vom Unternehmen allerdings gesenkt. Dem Management zufolge ist die Nachfrage trotz der Lieferengpässe unverändert hoch. Das Unternehmen will daher die Zahl der Eillieferungen (ohne werksseitige Prüfungen, die beim Kunden durchgeführt werden müssen) erhöhen, bei denen die Bezahlung auf 2023 verschoben wird. Der Markt wertet das als gute Nachricht.

Flops 

GlaxoSmithKline (-19 %): Der Aktienkurs litt unter dem Börsengang der Konsumgütersparte Haleon, die Anfang der Woche ihr Debüt auf dem Londoner Parkett gab. Trotz einer eindeutigen Erholung am Donnerstag, zu der Haleon beigetragen hatte, brach die Aktie im Lauf der Woche um 18,3 % ein. 

Telenor (-12 %) sorgte für Enttäuschung. Der norwegische Mobilfunkanbieter präsentierte für das Skandinavien-Geschäft solide Ergebnisse. Die Aktivitäten in Asien, vor allem in Thailand und Pakistan, kommen allerdings noch nicht richtig in Schwung. Dafür wurde die Aktie sofort abgestraft.

AT&T (-11 %): Trotz steigender Abonnentenzahlen im Quartal erwirtschaftete das Unternehmen keinen freien Cashflow und korrigierte seine Jahresprognose nach unten. Die Telefongesellschaft machte dafür auch den Zahlungsverzug von Kunden verantwortlich.

IBM (-10 %): Das Unternehmen meldete für das Quartal ein Umsatzplus von 9 %. Der IT-Riese räumte allerdings ein, dass die Einstellung des Russlandgeschäfts und der starke US-Dollar die Ergebnisse belastet haben. Der Markt macht sich Sorgen, wie es wohl weitergeht.

Somfy (-8 %): Das Wachstum des Unternehmens geriet angesichts des ungünstigen wirtschaftlichen und geopolitischen Klimas im 1. Halbjahr ins Stocken. Das Umsatzplus von über 5 % konnte die Marktteilnehmer nicht beruhigen. 
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Rohöl: Die Ölpreise für die beiden internationalen Referenzsorten Brent und WTI pendelten sich diese Woche im Bereich von 100 USD je Barrel ein. Joe Bidens Reise in den Nahen Osten brachte kaum Neuigkeiten. Die Preise orientieren sich daher bis auf Weiteres an den Fundamentaldaten. Der unerwartet starke Aufbau der Benzinvorräte in den USA dämpfte folglich die Ölpreise, da er einen Rückgang der US-Nachfrage widerspiegelt. Auf der Angebotsseite kündigte Libyen eine Erhöhung seiner Fördermenge an.

Metalle: Bei den Industriemetallen herrschte ebenfalls abwartende Stimmung. Weltweit stabilisierten sich die Preise diese Woche, z. B. notiert Kupfer an der LME aktuell bei 7.230 USD je Tonne. Aluminium machte Boden gut und kostet 2.430 USD. Die aktuellen Zahlen der International Aluminium Association belegen, dass sich das weltweite Angebot im Juni stabilisiert hat. Edelmetalle starteten mit Verlusten in die Woche und litten unter der Aufwertung des US-Dollar. Der Preis für eine Feinunze Gold fiel kurzzeitig unter die Marke von 1.700 USD.

Agrarprodukte: Die Getreidepreise sind diese Woche an der Börse in Chicago gesunken. Den jüngsten Meldungen zufolge wurden bei den laufenden Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine über die Ausfuhr von Getreide aus ukrainischen Häfen Fortschritte erzielt. Ankara hält zumindest eine Einigung für möglich. Weizen notiert derzeit bei 785 Cent je Scheffel und Mais bei 570 Cent.
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Trotz des ungünstigen makroökonomischen Umfelds konnten die Märkte in den USA und Europa zum Auftakt der Berichtssaison kräftig zulegen. Zum Wochenschluss wird deutlich, dass angesichts der Outperformance der defensiven Titel nach wie vor Vorsicht geboten ist. Neue Allzeithochs finden sich eher bei der Inflation: Die anhaltende allgemeine Teuerung beginnt sich nun spürbar auf die Ausgabenseite auszuwirken, und das zeigt sich auch in einer zurückgehenden Wirtschaftstätigkeit. Ersten Schätzungen zufolge dürfte der Einkaufsmanagerindex (PMI Composite) im Euroraum von 52 Punkten im Vormonat auf 49,4 Punkte im Juli gefallen sein. Die Angst vor dem möglichen Eintritt in eine Rezession lastet noch immer auf den Märkten und die nächste Woche wird für die USA entscheidend sein. Denn am 28. Juli wird die Schätzung der vierteljährlichen Wachstumsrate des BIP veröffentlicht: Diese Zahl könnte die Experten davon überzeugen, dass wir uns in einer technischen Rezession befinden. Die weitere Entwicklung sollte man also genau im Auge behalten.

Anleihen: Die Anleger schauen nach wie vor mit Argusaugen auf die Anleihemärkte. Viele halten eine tatsächliche Erholung des Aktienmarktes erst dann für möglich, wenn sich die Anleiherenditen wieder beruhigen. Diese sind in Europa nach der Veröffentlichung des Einkaufsmanagerindex in der vergangenen Woche bereits wieder gefallen. Zehnjährige französische Staatsanleihen bewegen sich um 1,6 %, während sich deutsche Papiere mit gleicher Laufzeit immer mehr der Ein-Prozent-Marke nähern. Bemerkenswert ist, dass sich der Spread zu zehnjährigen italienischen Staatsanleihen trotz der Bereitschaft der EZB, das Land durch eine gezielte quantitative Lockerung zu schützen, ausgeweitet hat. Am Markt will man wohl mehr über dieses Unterstützungsprogramm wissen und fokussiert sich derzeit vor allem auf die von der EZB am Donnerstag vollzogene Anhebung des Leitzinses um 0,5 Prozentpunkte. Am etwas ruhigeren US-Anleihemarkt rentieren 10-jährige Treasuries aktuell mit 2,76 %.

Kryptowährungen: Der Markt für Kryptowährungen hat eine fulminante Woche hinter sich. Der Bitcoin legte seit Montag um mehr als 10 % zu, während Ether im gleichen Zeitraum über 15 % an Wert gewann (Stand: Freitagnachmittag). Nach dem historischen Sinkflug im letzten Quartal ging es für den Markt somit wieder deutlich aufwärts. Die Digitalwährungen konnten sich außerdem unerwartet gut behaupten, nachdem Elon Musk bekannt gegeben hatte, im 2. Quartal 75 % der von Tesla gehaltenen Bitcoins verkauft zu haben, um die Cash-Position zu maximieren. Die Stimmung unter den Kryptoanlegern hat sich also wieder etwas aufgehellt - zumindest in dieser Woche.

Devisen: In der dritten Juliwoche gab es am Devisenmarkt kaum Bewegung. Obgleich die EZB den Leitzins um 50 Basispunkte anhob, stabilisierte sich der EUR/USD-Kurs bei 1,020. Der erste Zinsschritt dürfte für etwas mehr Klarheit über die künftige Entwicklung der Gemeinschaftswährung sorgen. Eine Situation, die - wenn auch nur kurzfristig - dazu beitragen sollte, den Euro über der Paritätsschwelle zu halten. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals folgte das Pfund Sterling dem US-Dollar. Nach einer zum Ende der Woche einsetzenden Erholung der Gemeinschaftswährung liegt der EUR/GBP-Kurs nun bei 0,850. Als einzige Währung konnte der Schweizer Franken seine Rally (vor allem zum Wochenschluss) fortsetzen. Der Euro gab gegenüber dem Franken weiter nach: 1 EUR kostete zum Redaktionsschluss 0,9830 CHF - ein historischer Tiefststand.

Termine: Die nächste Woche verspricht eine Fülle von Konjunkturindikatoren. Zum Auftakt werden am Dienstag die Zahlen zum Verbrauchervertrauen in den USA veröffentlicht. Diese wichtige Statistik gibt Aufschluss über die voraussichtlichen Ausgaben der Haushalte. Am Mittwochabend folgt die mit Spannung erwartete offizielle Ankündigung der US-Notenbank Fed zu ihrem nächsten Zinsschritt, nachdem diese einer Anhebung um 0,75 Basispunkte in Aussicht gestellt hatte. Am Donnerstag wird die vierteljährliche Wachstumsrate des BIP in den USA veröffentlicht, die voraussichtlich bei +0,4 % liegen wird. Den Reigen beschließt am Freitag der Kern-Verbraucherpreisindex, also die monatliche Teuerung der US-Verbraucherpreise ohne Produkte mit schwankungsanfälligen Preisen. Am selben Tag wird auch der Verbraucherpreisindex des Monats Juli für den Euroraum veröffentlicht. Im Jahresvergleich wird die Inflationsrate voraussichtlich bei 8,7 % liegen - gegenüber 8,6 % im Juni.
Kurs und Volumen
Bulle oder Bär?
Die wichtigsten Finanzmärkte erholten sich diese Woche deutlich. Insbesondere Qualitäts- und Wachstumsaktien tendierten aufwärts. Während die Europäische Zentralbank den Leitzins um 50 Basispunkte angehoben hat und eine Rezession wohl noch immer als zentrales Szenario betrachtet wird, nehmen die Märkte die weitere Entwicklung offenbar bereits vorweg. Oder handelt es sich dabei nur um die x-te technische Erholung in einem Bärenmarkt? Derzeit sind jedenfalls alle Szenarien denkbar. In der nächsten Woche könnten die Halbjahreszahlen zahlreicher Weltkonzerne für mehr Klarheit sorgen: Auf der Agenda stehen die Veröffentlichung von Microsoft, Alphabet, Coca-Cola und Visa (Dienstag), gefolgt von Meta Platforms, Ford und Boeing (Mittwoch), Apple, Amazon, Pfizer und Intel (Donnerstag) sowie Exxon Mobil, Chevron und Procter & Gamble (Freitag).
Wir wünschen allen Anlegern eine gute Woche!
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.