Samstag
27. November
Börsen-Update der Woche
intro In einem durch anhaltende Inflationsängste und die Erwartung eines schnelleren Zinsanstiegs geprägten Umfeld schien es fast, als könnten die Finanzplätze etwas zur Ruhe kommen. Doch die Stimmung schwenkte abrupt wieder auf Risikoaversion um. Im südlichen Afrika wurde eine neue und möglicherweise gegen die Impfstoffe resistentere Coronavirus-Variante entdeckt. Dies schürte die Angst vor einer Kaskade weltweiter Einschränkungen zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Lage gerade wieder etwas normalisiert hatte. In der Folge begaben sich die Indizes am Freitag gemeinsam auf Talfahrt. Die Volatilität dürfte somit auch an den nächsten Handelstagen hoch bleiben.
Indizes

Die meisten Indizes beendeten die vergangene Woche im Minus.
In Europa gab der DAX 4,7 % nach, der CAC 40 sank um 4,6 % und der FTSE 100 fiel um 1,7 % zurück. In den Peripherieländern des Euroraums verzeichnete der italienische Leitindex einen Rückgang um 4,2 %, während es am spanischen und portugiesischen Markt um 3,2 % bzw. 1 % bergab ging.

In Asien verlor der Hang Seng im Laufe der Woche 3,8 % an Boden und der Nikkei musste einen Rücksetzer von 3,3 % hinnehmen. Der Shanghai Composite legte dagegen um 0,7 % zu.

In den USA wurde die Börsenwoche durch den Thanksgiving-Feiertag unterbrochen. Der Dow Jones büßte gegenüber der Vorwoche 2 % ein, der S&P 500 gab 1,9 % nach und der Nasdaq 100 verbuchte ein Minus von 2,7 %, wobei sich die Verluste auf den Freitag konzentrierten.



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Rohstoffe

Die Drohung aus den USA, in Absprache mit anderen erdölimportierenden Ländern die strategischen Ölreserven anzuzapfen, um so dem Preisanstieg Einhalt zu gebieten, ließ die Ölpreise noch unbeeindruckt. Doch die Nachricht von einer neuen und gefährlicheren Mutation des Coronavirus und den dadurch zu erwartenden neuen Reisebeschränkungen setzten das schwarze Gold kräftig unter Druck: Rohöl der Nordseesorte Brent fiel unter die Marke von 80 USD und liegt nun bei 77 USD. Auch die US-Referenzsorte gab nach und kostet nun 73 USD pro Barrel.

Trotz der wachsenden Risikoaversion, die Gold momentan Auftrieb verleiht, machen viele Anleger noch einen Bogen um das Edelmetall. Grund hierfür sind der starke US-Dollar und leicht steigende Realrenditen bei US-Anleihen. Die Unze notiert nun bei 1.800 USD.

Industriemetalle kehrten hingegen wieder auf den Aufwärtspfad zurück, denn Sorgen um die angespannte Versorgungslage treiben die Preise nach oben. So hat Indonesien angekündigt, in den Jahren bis 2024 einen Exportstopp für Bauxit, Kupfer und Zinn einzuführen, um die Verarbeitung der Rohstoffe im eigenen Land zu stärken. Kupfer liegt aktuell bei etwa 9.930 USD je metrische Tonne.



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Aktien

HP Inc: Eine gute Woche mit einem ansehnlichen Kursplus von rund 15 % für den bekannten PC-Hersteller. Der aktuell hohe Bedarf an IT-Hardware bescherte dem US-Unternehmen bessere Quartalsergebnisse als erwartet und sorgt für gute Aussichten.

flatexDEGIRO: Der deutsche Online-Broker hat diese Woche einen großen Coup gelandet. Die Ankündigung, dass Privatanleger aus Europa auf seiner Plattform künftig provisionsfrei handeln können, katapultierte den Titel um mehr als 10 % nach oben.

Telecom Italia: Der italienische Telefonanbieter (zu 24 % im Besitz von Vivendi) ist ins Visier von KKR geraten. Der Finanzinvestor hat ein informelles Angebot über 0,505 EUR je Aktie abgegeben, könnte dieses aber aufstocken oder sich sogar laut Gerüchten vom Freitag für eine noch attraktivere Offerte mit Konkurrent CVC zusammenschließen. Der Kurs hat sich innerhalb einer Woche fast verdoppelt.

Evolution AB: Der Kurs des schwedischen Entwicklers von Online-Casinospielen brach um 30 % ein, nachdem Vorwürfe aufgekommen waren, das Unternehmen habe Glücksspiel in Ländern angeboten, in denen dies illegal sei oder die US-Sanktionen unterliegen. Daraufhin wurde eine interne Untersuchung eingeleitet.

Vallourec: Der französische Hersteller von nahtlosen Rohren für die Erdölindustrie schoss im Wochenverlauf um 20 % in die Höhe, nachdem Kepler Cheuvreux seine Empfehlung mit einem Kursziel von 11 EUR wieder auf "Kaufen" gesetzt hatte.

Autodesk: Enttäuschende Quartalsergebnisse schickten den Titel auf Talfahrt. Zum Ende der Handelswoche stand ein Minus von 20 % zu Buche.



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Makroökonomie

Am Donnerstag demonstrierte Europa seine Wirtschaftskraft, denn alle Einkaufsmanagerindizes überstiegen im November die Erwartungen der Volkswirte. Diese von Markit durchgeführten Umfragen ermitteln die Stimmung bei Einkaufsleitern zahlreicher Unternehmen in der Annahme, dass deren Ausgabebereitschaft ein aussagekräftiger Frühindikator für die Wirtschaftsentwicklung ist. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie generell in der Eurozone tendieren die Einkaufsmanagerindizes deutlich aufwärts, was ein gutes Zeichen ist. Zum Ende der Woche verschlechterten sich die Daten aus den USA: Vor allem die Aufträge für langlebige Wirtschaftsgüter gingen im Oktober zurück. Die wöchentlichen Arbeitsmarktzahlen sind dagegen noch immer stabil.

In der "besten aller Welten" und ohne die fulminante Rückkehr der Pandemie zum Wochenende hätte tatsächlich alles bestens sein können. Die Entdeckung einer anscheinend sehr gefährlichen Virusvariante im südlichen Afrika sorgte an den Finanzmärkten für Bestürzung, hatten diese sich doch schon auf ein baldiges Ende der Corona-Restriktionen eingestellt. Neben dem Einbruch der Ölpreise, dem Absturz der Aktienkurse und dem leichten Anstieg des Goldpreises wirkte sich die wieder aufflammende Risikoaversion am stärksten auf die Anleiherenditen aus. Allein während des Handels am Freitag sank die Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen von 1,63 % um 10 Prozentpunkte auf 1,53 %. Die entsprechende deutsche Bundesanleihe verzeichnete einen Rückgang von -0,25 % auf -0,32 % und französische Staatsanleihen tendierten wieder gegen null (ca. 0,05 %). Die Anleger gehen davon aus, dass die Zentralbanken ihre Unterstützung auf jeden Fall langsamer zurücknehmen müssten, wenn die Pandemie neue Einschränkungen mit sich bringt. Dies erklärt, warum die Anleiherenditen nachgeben.

An den Devisenmärkten drückte der US-Dollar den Euro in der Wochenmitte unter die Schwelle von 1,12. Anschließend fiel der Greenback zwar etwas zurück, verharrte jedoch auf hohem Niveau. Mitte der Woche verzeichnete der US-Dollar mit einem Kurs von 115,41 JPY zudem ein Vierjahreshoch gegenüber dem Yen. Der EUR/CHF-Kurs entwickelte sich leicht zugunsten der Schweizer Fluchtwährung (1 EUR = 1,0448 CHF). Die größte mediale Aufmerksamkeit erhielt in dieser Woche der Absturz der türkischen Lira, die am Dienstag 13 % an Wert verlor. Auslöser war die eigenwillige Haltung des Präsidenten Erdogan, der eine Leitzinserhöhung durch die Zentralbank vehement ablehnt.

Die neue Virusvariante macht auch vor dem Markt für Kryptowährungen nicht halt. Am Freitag gab der Markt 7 % seiner gesamten Börsenkapitalisierung ab. Diese sank unter die Schwelle von 2,5 Bio. USD. Auch der Bitcoin konnte sich nicht behaupten und rauschte unter die Marke von 55.000 USD.

In der kommenden Woche wird die US-Notenbank im Rampenlicht stehen, denn ab Montag werden mehrere Reden erwartet. Das größte Interesse dürfte am Freitag den US-Arbeitsmarktdaten für November gelten, die zu den wichtigsten Indikatoren für die Geldpolitik der Federal Reserve zählen.
Comeback der Pandemie-Gewinner

Den Märkten wird plötzlich bewusst, dass das Virus niemals völlig verschwunden war. Die neue ansteckendere und schnell mutierende Virusvariante mit dem unscheinbaren Namen B.1.1.529 wurde in Südafrika entdeckt und ist Vorbote einer neuen Ansteckungswelle. Natürlich rücken damit die Gewinner der Coronakrise, vor allem Aktien aus dem Gesundheitsbereich, wieder in den Vordergrund. Wir wollen aber keine voreiligen Schlüsse ziehen, solange die Wissenschaft über die Virusvariante noch keine gesicherten Erkenntnisse hat. In diesen turbulenten Zeiten wird uns eines klar: Von seinen Positionen überzeugt zu sein, ist unbezahlbar. Wir wünschen allen Anlegern einen schönen ersten Advent.