Die Finanzmärkte kamen im Juli nicht zur Ruhe: Eine Zinserhöhung jagte die nächste, die Berichtssaison nahm kräftig an Fahrt auf und die Konjunkturdaten sorgten für Schweißausbrüche. Ein straffes Pensum für einen heißen Sommermonat! Die wichtigsten Börsenbarometer legten im Juli allerdings deutlich zu, ganz anders als im schwierigen ersten Halbjahr. Der Stoxx Europe 600 NR kletterte binnen eines Monats um 8,10 % in die Höhe und für den S&P 500 ging es 8,5 % bergauf. Der Nasdaq 100 konnte zum Redaktionsschluss mit einem Monatsplus von 12 % aufwarten. Die Marktteilnehmer verabschieden sich nun langsam in die Sommerpause, zur alljährlichen Siesta im August.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
438.29  +2.96%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
4130.29  +4.26%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
27801.64  -0.40%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1765.34$  +2.35%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
103.63  +0.14%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.02$  +0.25%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops

Teva
(+35 %): Die Aktie machte einen Kurssprung, nachdem es dem Generikahersteller in der Opioid-Krise in den USA gelungen war, durch eine Vergleichszahlung von insgesamt bis zu 4,35 Mrd. USD eine Klage beizulegen.

Enphase / Sunrun (+30 %): Wie andere Branchenakteure profitierten die beiden Unternehmen von der Einigung der US-Parlamentarier auf ein Klimapaket, das Ausgaben für saubere Energien vorsieht.

Worldline (+17 %): Die Aktie erhielt Auftrieb, da der französische Zahlungsdienst für das 2. Quartal 2022 ein dynamisches Wachstum bekannt gegeben hatte. Die Veröffentlichung konnte die Anleger wieder beruhigen, nachdem die Branche zuletzt eine eher schwierige Zeit durchgemacht hatte.

Hapag-Lloyd (+17 %): Die Reederei übertraf im 1. Halbjahr die selbst gesteckten Ziele. Die Aktie wurde durch HSBC auf "Hold" heraufgestuft, mit einem Kursziel von 300 EUR.

Hermès (+10 %): Der Lederwarenhersteller verzeichnete im 2. Quartal ein starkes Umsatzwachstum, wozu insbesondere eine solide Entwicklung in den westlichen Regionen und eine deutliche Erholung des chinesischen Marktes im Juni beigetragen hatten.


Flops

Fresenius Medical Care (-19 %): Das deutsche Medizintechnik-Unternehmen hat seine Prognosen für 2022 gesenkt. Grund dafür ist die deutliche Verschlechterung am US-Arbeitsmarkt und die anhaltend hohe Kosteninflation. Die Bestätigung der Ziele für 2025 konnte die Enttäuschung der Anleger offenbar nicht mindern.

Stanley Black & Decker (-15 %): Der Hersteller von Elektrowerkzeugen sorgte nicht nur mit den Zahlen für das 2. Quartal für große Enttäuschung, sondern senkte auch deutlich die Ergebnisprognose für das laufende Geschäftsjahr. Wolfe Research setzte deshalb seine Bewertung von "Kaufen" auf "Neutral" herab.

Charter Communications (-10 %): Der Kabelnetzbetreiber wurde in den USA zu einer Geldstrafe von 7,37 Mrd. USD verurteilt. Dem Unternehmen werden systemische Sicherheitslücken vorgeworfen, die dazu führten, dass eine ältere Frau beraubt und ermordet worden war.

Eurofins (-10 %): Das Unternehmen veröffentlichte solide Halbjahresergebnisse, jedoch ein eher enttäuschendes organisches Wachstum. "Die Prognosen für das Geschäftsjahr 2022 wurden zwar angehoben, aber der implizite Margenrückgang auf etwa 20 % und die moderate Korrektur des freien Cashflows könnten Fragen aufwerfen", so der Analyst von Jefferies.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Im Vorfeld des nächsten Treffens der OPEC+ am 3. August, bei dem nähere Einzelheiten zur weltweiten Angebotsprognose bekannt gegeben werden sollen, war die Nervosität an den Ölmärkten weiterhin deutlich spürbar. Die russische Produktion dürfte in den nächsten Monaten sinken, was teilweise durch höhere Fördermengen in Libyen ausgeglichen werden kann. Diese sollen von 800.000 Barrel pro Tag auf 1,2 Mio. Barrel pro Tag steigen. Die Preise für Erdgas kletterten in Europa auf neue Höchststände. So erreichte der Referenzpreis am niederländischen Handelsplatz TTF ein Wochenhoch von über 200 EUR/MWh. Russland übt weiter Druck auf die Preise aus, indem es die Liefermengen über Nord Stream 1 verringert.

Metalle: Die Metallpreise haben sich in der letzten Woche erholt, was teilweise dem schwächeren US-Dollar zuzuschreiben war. Die niedrigen Preise dürften auch auf das globale Angebot durchschlagen, da einige Bergbauunternehmen wie Freeport-McMoRan bereits warnen, dass sie einige unrentable Minen nicht weiterbetreiben könnten. Dadurch dürfte sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage verschieben. An der Londoner Metallbörse (LME) wird eine Tonne Kupfer für 7.700 USD gehandelt, während bei den Edelmetallen die Goldnotierung um 2,20 % auf 1.760 USD zulegte.

Agrarprodukte: Die Ukraine und Russland haben ein Abkommen über Getreideexporte in die Türkei unterzeichnet. Dies ist ein Schritt nach vorn, der es der Ukraine ermöglichen soll, ihren Weizen aus dem Hafen von Odessa zu verschiffen. Jedoch kam nach dem russischen Bombenangriff auf den Hafen am vergangenen Wochenende Sorge auf, ob das Abkommen auch tatsächlich eingehalten wird. Die Weizenpreise in Chicago stiegen in der Folge auf 8.036 US-Cent pro Scheffel.
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Die Märkte wurden angesichts zahlreicher makroökonomischer Ereignisse von einer Nachrichtenflut überrollt. Die US-Notenbank Fed erhöhte die Zinsen, und in den USA sowie in der Eurozone wurden das BIP für das 2. Quartal und die aktuellen Inflationszahlen veröffentlicht. Dabei reagierten die Anleger erstaunlicherweise recht gelassen auf den Durchhänger der US-Wirtschaft. Sie sehen darin einen triftigen Grund, dass die Fed das Tempo ihrer Zinserhöhungen drosselt. Die Federal Reserve hatte kurz zuvor den Leitzins wie erwartet um 75 Basispunkte angehoben und zeigte sich weiter fest entschlossen, die Inflation zu bekämpfen. In der Eurozone fiel die Teuerungsrate im Juli mit schätzungsweise +8,9 % gegenüber dem Vorjahresmonat höher als erwartet aus. Die Zentralbanken versuchen daher weiter, die Inflation einzudämmen, ohne die Konjunktur (übermäßig) abzuwürgen oder in eine Stagflation abzugleiten. Ein echtes Dilemma!

Anleihen: Die US-Wirtschaft ist das 2. Quartal in Folge (leicht) geschrumpft, und die US-Anleiherenditen sind daraufhin gesunken. Die Rendite zehnjähriger US-Treasuries gab auf 2,7 % nach, weil die Anleger ihre Erwartungen im Hinblick auf aggressive Zinserhöhungen durch die Fed leicht nach unten korrigierten. Kürzer laufende US-Staatsanleihen (mit Laufzeiten von 6 Monaten, 2 Jahren und 5 Jahren) werfen angesichts des aktuellen Wirtschaftsabschwungs immer noch eine höhere Rendite ab als zehnjährige Bonds. In Europa rentierten zehnjährige deutsche Bundesanleihen bei 0,89 %, französische Staatsanleihen bei 1,45 % und ihre italienischen Pendants bei 3,10 %.

Devisen: Der Euro erholte sich auf etwa 1,02 USD, nachdem er Mitte des Monats unter die Parität zum US-Dollar gesunken war. Grund hierfür waren die Äußerungen des US-Notenbankpräsidenten Jerome Powell am Rande der Bekanntgabe der Zinserhöhung diese Woche, die etwas milder als erwartet ausfielen. Die Gemeinschaftswährung büßte allerdings zuletzt gegenüber dem Schweizer Franken und dem britischen Pfund auf 0,9741 CHF bzw. 0,8401 GBP für 1 EUR ein. "Die Zinsen am kurzen Ende werden in Europa steigen, aber die EZB sitzt wirklich zwischen allen Stühlen", erläutert Nordea. Das bedeutet, dass das Potenzial für Zinserhöhungen in den USA immer noch höher ist als auf dem alten Kontinent.

Kryptowährungen: Im Kielwasser der US-Börsenindizes setzten Krypto-Assets ihren Aufwärtstrend die zweite Woche in Folge fort. Der Bitcoin kletterte über 23.400 USD und Ether auf über 1.650 USD (Stand: Freitagabend). Dabei entwickelt sich Ether seit Anfang Juli mit +56 % deutlich besser als der Bitcoin und verbuchte damit seine beste monatliche Performance seit Januar 2021. Der Marktführer Bitcoin kam dagegen auf +18 %. Das ist allerdings kein Grund zur Entwarnung. Denn die makroökonomischen Bedingungen sind für eine endgültige Rückkehr des Kapitals in riskante Anlagen wahrhaftig nicht günstig.

Termine: Die erste Augustwoche wird im Zeichen der Veröffentlichung mehrerer US-Arbeitsmarktdaten stehen. Am Dienstag wird der JOLTS-Report des US-Arbeitsministeriums zur Anzahl offener Stellen erwartet, am Donnerstag folgen die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe und am Freitag die Beschäftigungszahlen. Am Donnerstag wird außerdem die Bank of England über ihre Geldpolitik entscheiden. In den USA stehen derweil die aktuellen Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe (Montag) und für den Dienstleistungssektor (Mittwoch) an.
Kurs und Volumen
Hoffnungsschimmer
Die Finanzmärkte tendierten dank zuversichtlicher Töne und erfreulicher Veröffentlichungen diese Woche wieder aufwärts. Es war eine der am meisten gefürchteten Wochen des Jahres, denn viele große Unternehmen präsentierten ihre Zahlenwerke für das 2. Quartal. Insgesamt übertrafen sie erfreulicherweise die Erwartungen, allen voran die in den Indizes stark gewichteten Blue Chips. Die Aussichten sind ebenfalls ermutigend, obgleich die Gewinne auch im nächsten Quartal weiter unter Druck stehen dürften.

Der an den Märkten bereits erwartete Zinsschritt am Mittwoch scheint die Stimmung der Anleger nicht mehr zu trüben. Jerome Powell sorgte mit einigen beruhigenden Worten über eine mögliche Lockerung der Fed-Politik für einen neuen Hoffnungsschimmer. Die Optimisten an den Märkten scheinen sich mit der Aussicht auf einen erneuten Aufschwung in 6 bis 12 Monaten nach einer technischen Rezession zufrieden zu geben, was in diesem Stadium etwas verfrüht ist. Die Pessimisten meinen dagegen, dass hier einmal mehr die "Fear of Missing Out" im Spiel ist, die Angst der Anleger, den richtigen Einstiegspunkt zu verpassen. Welche Seite Recht hat, wird sich zeigen. Bis dahin wünschen wir Ihnen allen ein schönes Wochenende und eine gute Woche.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.