Samstag
21. August
Börsen-Update der Woche
intro Die Woche verlief für die Finanzmärkte turbulent und wurde nicht zuletzt von der Vorahnung einer bevorstehenden Straffung der US-Geldpolitik bestimmt: Während die Beschäftigungsziele am Arbeitsmarkt im laufenden Jahr erreicht werden könnten, sprechen sich mehrere Fed-Mitglieder dafür aus, das Anleihekaufprogramm in den kommenden Monaten zurückzufahren. Daher verzeichnen die Aktienmärkte nach einer seit Jahresbeginn sehr soliden Entwicklung nun vermehrt Kursverluste.
Indizes

In Europa richtet sich der Blick vor allem auf Paris, das 2021 die meisten anderen Aktienmärkte in den Schatten stellen konnte, zuletzt aber für Enttäuschung sorgte. So verzeichnete der CAC 40 seine schlechteste Woche seit Ende Januar, was den Kursrückgängen der im Index stark gewichteten Titel des Luxusgütersektors geschuldet ist. Ungewissheit erzeugen hier vor allem Fragen zum weiteren Wachstumspfad in China und dem Bestreben der dortigen Regierung, den Wohlstand umzuverteilen, was Steuererhöhungen für die vermögendsten Bevölkerungsschichten nach sich ziehen könnte. Die "Staraktie" LVMH und ihr Pendant Kering gaben in dieser Woche über 10 % nach. Der französische Leitindex büßte ca. 4 % ein. In Deutschland verlor der DAX ebenfalls an Boden - wenn auch in geringerem Umfang. Negativ zu Buche schlugen hier vor allem Werte der Automobil- und Grundstoffindustrie. Der MDAX wurde durch Industrieaktien belastet, andererseits aber auch durch den Gesundheitssektor und nichtzyklische Konsumgüter gestützt (Impulsgeber war hier HelloFresh; siehe unten).

Dagegen zeigten sich die US-Indizes von den aktuellen Verlautbarungen der Fed relativ unbeeindruckt. Unter dem Strich fällt die Wochenbilanz dennoch negativ aus, wenngleich die am Dienstag erreichten Rekorde noch immer in Reichweite liegen. Die Anleger favorisierten Titel des Gesundheits- und Technologiesektors auf Kosten der eher zyklisch orientierten Branchen - ein klares Signal, dass die Risikoaversion gestiegen ist. In dieser Woche gingen der S&P 500 und der Nasdaq 100 um 0,8 % bzw. 0,5 % zurück (Stand: Freitagnachmittag).

In Asien war es wieder einmal eine negative Woche: Hier fiel der Hang Seng um 5,9 %. Er lässt damit einen deutlichen Abwärtstrend erkennen, denn gegenüber seinem Höchststand hat er nun bereits 20 % verloren. Auch der Nikkei und der MSCI China büßten 3,4 % bzw. knapp 5,7 % ein. Die aktuelle Lage im "Reich der Mitte" schlägt also mittlerweile auf die gesamte Region durch.

Luxusaktien ziehen CAC 40 gegenüber DAX und SMI nach unten

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Rohstoffe

Die steigende Risikoaversion hat sich nicht nur an den Aktienmärkten bemerkbar gemacht, sondern auch die Ölpreise auf das Niveau des Monats Mai gedrückt. Damit zeigten die Rohölmärkte die dritte Woche in Folge eine rückläufige Entwicklung. Neben dem erstarkten US-Dollar trug auch der überraschende Anstieg der US-Ölvorräte zur Eintrübung der Stimmung bei. Rohöl der Sorte Brent notiert aktuell bei 65 USD je Barrel, die US-Referenzsorte WTI bei 62,2 USD je Fass.

Von dem volatileren Umfeld hätte dann aber wenigstens der Goldpreis profitieren sollen, doch weit gefehlt: Das Edelmetall verharrte auch in dieser Woche bei 1.780 USD je Feinunze und wurde durch den aufwertenden US-Dollar belastet. Allerdings schnitt Gold besser ab als Silber, das in dieser Woche erneut nachgab und bei 23,1 USD notierte.

Die Industriemetalle haben quasi den Rückwärtsgang eingelegt: Angesichts durchwachsener Konjunkturdaten in China fiel Kupfer unter die Marke von 9.000 USD je metrische Tonne - ein Trend, dem sich der übrige Sektor anschloss. Aluminium sank auf 2.550 USD, Nickel sackte auf 18.500 USD ab. Auch Zinn blieb nicht verschont und notierte nur noch bei 32.700 USD.
Aktien

HelloFresh: Nachhaltig werthaltig

Immer wieder kommt der Markt zu der Einschätzung, die HelloFresh-Aktie sei leicht überbewertet. Doch das Berliner Unternehmen, das Kochboxen mit vorbereiteten Zutaten und kreativen Rezepten nach Hause liefert, hat es noch jedes Mal geschafft, das Anlegervertrauen wieder zu stärken. Infolgedessen ist der Aktienkurs stetig gestiegen und hat sich in dieser Woche der symbolischen 100-Euro-Marke genähert. Dies ist umso höher zu bewerten, da der im Wochenverlauf verzeichnete Anstieg von rund 15 % in einem besonders turbulenten Aktienmarktumfeld erzielt werden konnte. Das Unternehmen ist "immer noch hungrig", kommentiert Berenberg-Analystin Sarah Simon die Geschäftszahlen des letzten Quartals. Anders als von den Skeptikern angenommen ist die Wachstumsdynamik von HelloFresh trotz der Aufhebung pandemiebedingter Beschränkungen ungebrochen. "Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass das Wachstum des Unternehmens vor allem strukturell bedingt und nicht auf coronabedingte Panikkäufe zurückzuführen ist", erläutert die Analystin. Selbst das laut Management zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit leicht herabgesetzte Margenziel hat sich nicht nennenswert auf den Kurs ausgewirkt. Die HelloFresh-Aktie ist nach wie vor hoch bewertet, doch der Markt betrachtet das Unternehmen nun als wohl besten Anbieter im Segment für die Lieferung von Lebensmitteln nach Rezept.

Hoch-Sommer für HelloFresh

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Makroökonomie

Nach einer herausragenden Berichtssaison dachten viele Anleger, sie könnten den Sommer in Ruhe ausklingen lassen. Doch auf die euphorische Stimmung folgte große Ernüchterung. Grund dafür waren makroökonomische Nachrichten aus den beiden größten Volkswirtschaften der Welt:
In den USA bekräftigte die Notenbank Fed, dass sie sich intensiv mit Plänen zum Zurückfahren der Konjunkturhilfen beschäftige. So ist dem gerade veröffentlichten Protokoll der Ende Juli abgehaltenen Fed-Sitzung zu entnehmen, dass sich die Mehrheit der Zentralbanker angesichts der positiven Entwicklung des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung dafür ausspricht, die Anleiheaufkäufe zu reduzieren. Sofern sich die Lage nicht wesentlich verschlechtert, wird eine entsprechende Ankündigung am 22. September erwartet, wenn der geldpolitische Ausschuss der Notenbank wieder zusammenkommt.
Für Negativmeldungen sorgte aber auch China, wo sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt - was die ganze Welt aufhorchen lässt. Zudem setzt Peking die technologischen und digitalen Flaggschiffunternehmen des Landes mit einer strengeren Regulierung zunehmend unter Druck. Die Investoren reagieren nervös auf den unsicheren Ausblick für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.

Dem US-Dollar kommt dieses Umfeld indes zugute. So hat der Greenback gegenüber dem Euro binnen zwei Monaten um 3,5 % zugelegt und zuletzt mit einem Kurs von 1,1664 USD einen Jahreshöchstwert erreicht. Grund für den starken Dollar ist die Tatsache, dass sich die US-Wirtschaft wesentlich robuster von der Coronakrise erholt. Dies wiederum dürfte der Fed Spielraum für eine Normalisierung ihrer Geldpolitik verschaffen - lange, bevor die EZB nachziehen kann. Der EUR/USD-Wechselkurs hat nun quasi den tiefsten Stand seit einem Jahr erreicht. Die aktuellen Unsicherheiten, ob geldpolitischer, gesundheitlicher, geopolitischer (Afghanistan) oder wirtschaftspolitischer Natur (China), sprechen für einen anhaltend starken Dollar, der schließlich immer noch die Fluchtwährung Nummer eins ist. Der Neuseeland-Dollar fiel indessen zu Wochenbeginn auf einen Kurs von 0,68212 USD zurück, nachdem ein neuer Corona-Fall die Regierung veranlasst hatte, das Land wieder in den Lockdown zu schicken. Die Bank of New Zealand sah sich vor diesem Hintergrund sogar gezwungen, die von den Ökonomen für diese Woche erwartete Zinserhöhung vorerst auf Eis zu legen.
Der Euro kletterte gegenüber dem Schweizer Franken und dem britischen Pfund auf einen Kurs von 1,07134 CHF bzw. 0,8571 GBP.

Anders als die Aktienmärkte ließen sich die Staatsanleihemärkte von den Turbulenzen kaum aus der Ruhe bringen, sodass sich seit unserem Börsen-Update der letzten Woche praktisch nichts verändert hat. 10-jährige US-Staatsanleihen werfen jetzt eine Rendite von 1,24 % ab, während sich deutsche Bundesanleihen und französische Staatspapiere mit -0,49 % bzw. -0,14 % nach wie vor in negativem Terrain bewegen. Auch die Erwartung einer strafferen US-Geldpolitik scheint den Markt für Staatsanleihen nicht übermäßig zu tangieren: Die US-Realzinsen für 10-jährige Papiere verharren mit -1,04 % weiterhin eindeutig im roten Bereich.

Nächste Woche stehen an der Konjunkturfront ab Montag unter anderem die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes der wichtigsten Volkswirtschaften für August an. Am Mittwoch folgen dann der deutsche ifo-Geschäftsklimaindex und die US-Daten zum Auftragseingang für langlebige Wirtschaftsgüter. Am Donnerstag wird sich die Aufmerksamkeit auf die zweite Veröffentlichung des US-amerikanischen BIP im 2. Quartal richten sowie auf den Beginn des dreitägigen Symposiums in Jackson Hole, der jährlichen renommierten Notenbankkonferenz, in deren Rahmen es vielleicht einige interessante Stellungnahmen geben könnte.
Marktstimmung im Wandel

Die Woche war von Zweifeln und Nervosität geprägt, denn die US-Notenbank Fed könnte ihre Geldpolitik früher als erwartet straffen und das Anleihekaufprogramm zurückfahren. Die Konsequenz wäre möglicherweise eine baldige Leitzinsanhebung. Wie so oft scheinen die Märkte also erst im letzten Moment auf eine im Grunde absehbare Entwicklung zu reagieren. Die Nervosität hat zugenommen und lässt eine Abwärtsspirale befürchten. Die Märkte blicken mit Spannung auf das bevorstehende Symposium in Jackson Hole - mit spürbaren Auswirkungen auf die vorherrschende Stimmung.