Berlin/Wien (Reuters) - Wenige Wochen vor der Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Dezember ist eine Debatte über den Kurs nach Ende der akuten Pandemiekrise entbrannt.

EZB-Direktor Fabio Panetta plädierte am Mittwoch dafür, auch nach dem absehbaren Auslaufen des großangelegten Corona-Notprogramms PEPP im Frühjahr bei Anleihenkäufen nicht zu scharf auf die Bremse zu treten. "Eine unangemessene, deutliche Verringerung der Käufe wäre gleichbedeutend mit einer Straffung unserer geldpolitischen Haltung." Doch dies würde den Aufschwung gefährden. Bei Wertpapierkäufen müsse Flexibilität künftig zum "integralen Element" gemacht werden. Bundesbankchef Jens Weidmann mahnte hingegen, den aktuellen Pandemie-Modus der Geldpolitik nicht zum Dauerzustand zu machen.

Die Notfallmaßnahmen seien zu Recht eng an die Pandemie gebunden und müssten beendet werden, sobald die Krisensituation überwunden sei: Dazu gehöre aus seiner Sicht auch, die erhöhte Flexibilität des PEPP nicht auf andere Programme zu übertragen, erklärte Weidmann. Dessen flexible Ausgestaltung sei eine spezifische Antwort des EZB-Rats auf die besonderen Probleme der Corona-Krise gewesen. Diese Flexibilität sollte laut Weidmann außerordentlichen Situationen vorbehalten bleiben: "Ansonsten droht die Geldpolitik, ins Schlepptau der Fiskalpolitik und der Finanzmärkte zu geraten", mahnte der Bundesbankchef, der Ende des Jahres vorzeitig aus dem Amt scheidet.

"PEPP IM WARTERAUM"

Der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann erklärte, auch wenn PEPP Ende März auslaufen sollte, werde es nicht abgeschafft, sondern eher "in einen Warteraum gestellt". Damit könne man sich bei neuerlichen ökonomischen Schocks die in dem Programm angelegten "Vorteile der Flexibilität" zunutze machen. Das auf 1,85 Billionen Euro ausgelegte Notfall-Anleihenkaufprogramm PEPP soll noch bis mindestens Ende März 2022 laufen. Viele Experten gehen davon aus, dass die EZB danach ihre Anleihenkäufe nicht einstellt, sondern ihr aktuell weit kleineres Kaufprogramm APP in der einen oder anderen Form weiterführen wird.

Ein Übergang von PEPP hin zu APP birgt jedoch Risiken. Denn die EZB kann dann nicht mehr so leicht verstärkt Anleihen von Staaten erwerben, die die geldpolitische Hilfe am meisten benötigen. Sie muss bei APP festgelegten Länderquoten zumindest grob folgen und sich dabei am sogenannten Kapitalschlüssel orientieren. Das als Kriseninstrument geschaffene PEPP-Programm bietet dafür mehr Elastizität.

Auch vor dem Hintergrund der rasant steigenden Preise muss die EZB am 16. Dezember den geldpolitischen Kurs für die Zeit nach der akuten Pandemiekrise abstecken. EZB-Präsidentin Christine Lagarde gab jüngst die Richtung vor. Die EZB werde die Wirtschaft auch nach dieser Phase stützen. Dies gelte auch mit Blick auf eine "angemessene Justierung" der von der EZB betriebenen Anleihenkäufe.

Die Teuerungsrate im Euroraum lag im Oktober mit 4,1 Prozent so hoch wie seit über 13 Jahren nicht mehr. Laut EZB-Direktorin Schnabel ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: Für November sei mit der höchsten Teuerungsrate seit Einführung des Euro 1999 zu rechnen, sagte sie jüngst. Weidmann sagte nun, sicherlich gebe es für den Preisausblick in Deutschland und im Euroraum auch Abwärtsrisiken: "Aus meiner Sicht überwiegen aber klar die Aufwärtsrisiken, zuletzt eher noch deutlicher." Die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel, die als eine Kandidatin für die Weidmann-Nachfolge gilt, sagte, sie gehe davon aus, dass sich die Inflation ab Januar allmählich zu normalisieren beginne.