Berlin (Reuters) - Die gesenkte Mehrwertsteuer und fallende Energiekosten drücken die Inflationsrate auf den tiefsten Stand seit Anfang 2015.

Die Verbraucherpreise sanken im November um 0,3 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Im September und Oktober lag die Jahresteuerung bei minus 0,2 Prozent. Wenn die Senkung der Mehrwertsteuer 2021 jedoch ausläuft, erwarten Ökonomen mehr Preisdruck. "Im neuen Jahr wird die Inflationsrate schlagartig anziehen", sagte Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. "Für das Gesamtjahr 2021 dürfte sich die Rate auf 2,2 Prozent belaufen", ergänzte Michael Heise, Chefökonom vom Vermögensverwalter HQ Trust.

Die Bundesregierung senkte die Mehrwertsteuer von Juli bis Ende 2020 vorübergehend von 19 auf 16 Prozent, um Konsum und Wirtschaft in der Corona-Krise anzukurbeln. "Die Inflationsrate ist unter anderem durch die seit 1. Juli 2020 geltende Mehrwertsteuersenkung beeinflusst", hieß es beim Amt dazu.

ÖKONOM: FIRMEN KÖNNEN KAUM HÖHERE PREISE DURCHSETZEN

"Die Zauberformel lautet derzeit: billige Energie plus Mehrwertsteuersenkung gleich Inflationsrate", erklärte LBBW-Experte Niklasch. Zur höheren Mehrwertsteuer komme im Januar die CO2-Abgabe aus dem Klimapaket hinzu. Die Commerzbank rechnet dann mit einer Inflationsrate von rund 1,5 Prozent.

"So richtig wirksam wird der Effekt dann in der zweiten Jahreshälfte", sagte Niklasch. Dennoch drohe keine wirklich hohe Inflation von dauerhaft deutlich über zwei Prozent. Zudem stiegen weder die Mieten noch Tariflöhne besonders stark - was wiederum die Preise für Dienstleistungen deckele. Wegen eines Statistikeffekts rechnet Fachmann Heise in der zweiten Jahreshälfte allerdings sogar mit einer Inflation von gut 2,7 Prozent.

Für die Europäische Zentralbank (EZB) sind sinkende Preise in der größten Volkswirtschaft der Währungsunion derzeit ein Problem, strebt sie doch eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent im Euroraum an. Helaba-Analyst Patrick Boldt rechnet damit, dass die EZB in der nächsten Woche umfassende Lockerungsmaßnahmen beschließt. "Mittel- bis langfristig ergibt sich ein Inflationspotenzial, insbesondere wenn es nach der Corona-Krise zu einer konjunkturellen Erholung kommen sollte."

Waren verbilligten sich im November um durchschnittlich 1,8 Prozent. Dabei fielen die Energiepreise mit minus 7,7 Prozent besonders kräftig. Nahrungsmittel verteuerten sich um 1,4 Prozent und damit genau so stark wie zuletzt. Dienstleistungen kosteten 1,1 Prozent mehr als vor Jahresfrist, wobei die Nettokaltmieten um 1,3 Prozent zulegten. Die gesamten Verbraucherpreise sanken von Oktober auf November um 0,8 Prozent.