Amsterdam (Reuters) - Die EZB hat aus Sicht des niederländischen Notenbankchefs Klaas Knot mit ihren Zinsanhebungen im Kampf gegen die Inflation das Ende der Fahnenstange voraussichtlich noch nicht erreicht.

Zwar könnten die jüngsten Finanzmarkt-Turbulenzen die Wirtschaft zusätzlich bremsen, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Das Inflationsproblem der Währungshüter werde dadurch aber nicht gelöst. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir jetzt schon durch sind", sagte Knot. "Dieses Szenario ist unwahrscheinlich." Aber die heftigen Ausschläge an den Börsen führten eventuell zu einer möglichen Neubewertung der Wegstrecke, die noch zu gehen sei.

"Die Turbulenzen könnten zu einer zusätzlichen, nicht durch die Geldpolitik ausgelösten Verschärfung der Finanzierungsbedingungen führen, so dass wir in diesem Fall vielleicht weniger tun müssen", sagte der Währungshüter. Doch das Inflationsproblem werde nicht komplett gelöst.

Auf einer Pressekonferenz sagte Knot am Donnerstag, dass er ohne die derzeitige Nervosität sehr von einem weiteren Schritt im Mai überzeugt gewesen wäre. "Ich denke immer noch, dass wir im Mai einen weiteren Schritt machen müssen, aber ich weiß nicht, wie groß dieser Schritt sein wird," fügte er hinzu.

Die EZB ist aktuell in keiner einfachen Position. Sie muss aufpassen, dass aus den Turbulenzen um die krisengeplagte Schweizer Großbank Credit Suisse und die Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank keine neue Finanzkrise erwächst. Zugleich ist nach ihren sechs Zinserhöhungen seit Juli 2022 die Inflation im Euro-Raum aber noch längst nicht zurückgedrängt. Im Februar lag die Teuerung in der 20-Länder-Gemeinschaft immer noch bei 8,5 Prozent - das ist mehr als viermal so hoch wie das EZB-Ziel von zwei Prozent. Die Kerninflation, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert sind, stieg sogar von 5,3 Prozent im Januar auf 5,6 Prozent im Februar an.

SORGENKIND KERNINFLATION

Die zuletzt noch gestiegene Kernrate macht Knot Sorgen. "Unser wirkliches Inflationsproblem ist die Kerninflation, die noch keine Anzeichen einer Abschwächung zeigt", sagte der Notenbanker zu Reuters. Die jüngsten Messungen für die Kernrate zeigten immer noch einen starken Aufwärtstrend an. "Und deshalb ist es höchst fraglich, ob es ausreicht, die Zinsen nur in einem leicht restriktiven Bereich zu halten, um die Inflation mittelfristig wieder auf das Zielniveau zu bringen." Unter einem restriktiven Zinsniveau verstehen Ökonomen ein Niveau, das eine Volkswirtschaft bremst.

Spekulationen auf womöglich bereits schnell kommende Zinssenkungen erteilte Knot eine Absage. Die Währungshüter seien immer noch überrascht, wie hartnäckig die Trends bei der Kerninflation seien. "Somit ist es eine Illusion zu denken, dass wir irgendwann im Laufe des Jahres den Höhepunkt der Inflation erreichen und sehr schnell danach dann wieder die Zinsen senken", merkte er an. "Ich habe diese Erwartung immer mit einer gewissen Verwunderung betrachtet."

Knot hält es für unwahrscheinlich, dass das jüngste Bankenbeben zu einer Krise im Euro-Raum führen könnte. "Im Moment sehe ich keine wirklichen Ansteckungskanäle." Er sehe keine Anzeichen dafür, dass die in den USA und in der Schweiz zu sehenden Schwachstellen auch im europäischen Bankensektor vorhanden seien. "Aber lassen Sie mich noch einmal betonen, dass wir sehr, sehr weit von einer Situation entfernt sind, die ich als Finanzkrise bezeichnen würde."

(Reporter Balazs Koranyi; Bearbeitet von Frank Siebelt; Redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Balazs Koranyi