POTSDAM (dpa-AFX) - Mit auseinanderklaffenden Positionen sind Arbeitgeber und Gewerkschaften in eine neue Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst gestartet. Verdi-Chef Frank Werneke sagte am Donnerstag vor Beginn der Gespräche in Potsdam: "Die Vorstellungen liegen auseinander, und wir müssen sehen, ob wir in den nächsten Tagen zu Verständigungen kommen, unser Ziel ist das."

Die zwei Hauptstreitpunkte sind, wie lange ein neuer Tarifvertrag für die mehr als zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen gelten soll und um wie viel die Einkommen steigen sollen. "Es liegt noch eine gewaltige Wegstrecke vor uns", sagte der Verdi-Chef.

Die Arbeitgeber hatten insgesamt 3,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt angeboten. Das Plus soll es dabei in Stufen geben - bei einer Laufzeit von drei Jahren. Die Gewerkschaften fordern ein Einkommensplus von 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro mehr im Monat - bei einjähriger Laufzeit. Die aktuelle dritte Verhandlungsrunde war ursprünglich bis diesen Freitag angesetzt.

Der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge, sagte: "Wir gehen mit der Erwartung rein, dass wir uns spätestens bis morgen einigen können. Wenn es einen Tag länger dauert - ok, aber wir wollen uns einigen." Der Vorsitzende des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, teilte mit: "Wenn es Sonntag, wenn es auch Montag wird, ist uns das im Sinne einer Lösung vollkommen egal, wir sind dafür gewappnet."

Nach wochenlangen Warnstreiks an Kliniken, im Nahverkehr, in Rathäusern und Sparkassen schlossen die Gewerkschaften weitere Ausstände nicht aus. Dies gilt ihren Aussagen zufolge auch, wenn sich die Corona-Pandemie weiter ausbreitet. Werneke sagte: "Wenn wir zu keinem Ergebnis kommen, werden wir in unseren Entscheidungsgremien am Sonntagabend die Köpfe zusammenstecken und die Lage bewerten und dabei alles in Betracht ziehen, natürlich auch das Pandemiegeschehen." Er betonte: "Wir blicken auf Tage zurück mit einer Warnstreikbeteiligung, wie wir sie im öffentlichen Dienst seit vielen, vielen Jahren nicht mehr hatten."

Silberbach meinte: "Sollten wir zu keinem Verhandlungsergebnis kommen, dann werden wir uns in den Gremien natürlich auch über weitere Aktionen auseinandersetzen müssen."

Mädge verlangte Opfer etwa von Sparkassenmitarbeitern. Trotz Pandemie und Wirtschaftskrise sprächen die öffentlichen Arbeitgeber keine Kündigungen aus. "Aber wir brauchen einen Solidarbeitrag unter den Sparkassenbediensteten und wollen dabei ein bisschen die Sparkassenzulage absenken." Insgesamt sei unterm Strich aber sogar "ein Mehr" auch für diese Gruppe geplant. Sie steht bei den Verhandlungen besonders im Fokus.

Den Gewerkschaften warf Mädge teils mangelnden "Wahrheitsgehalt" bei Kommentaren zum Arbeitgeberangebot vor. "Wir haben beim letzten Tisch Krankenhäuser schon deutlich eine Erhöhung einer Pflegezulage zum Beispiel für die Intensivschwestern von über 8 Prozent pro Jahr angeboten. Das wird verschwiegen, da wird immer so getan, als wenn wir kein Angebot gemacht hätten." Die Verhandlungen zu einzelnen Bereichen sind an sogenannte eigene Tische ausgelagert.

Werneke sagte: "Aus meiner Sicht skandalös ist das Angebot der Arbeitgeber für die Pflege mit einer Pflegezulage von 50 Euro." Insgesamt wollten die Arbeitgeber einen Abschluss durchsetzen, der für drei Jahre noch nicht einmal die Preissteigerungsrate ausgleiche. "Das ist für uns nicht akzeptabel." Insbesondere mittlere und kleinere Einkommen müssten stabilisiert werden. Beim Streitpunkt der Laufzeit könne er noch kein Schlupfloch für eine Einigung erkennen. "Ich sehe noch nicht einmal das Schlüsselloch, was uns da weiterhelfen könnte in dieser Tarifrunde."

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) als Verhandlungsführer des Bundes wurde in Potsdam zunächst von Staatssekretär Helmut Teichmann vertreten und selbst für den frühen Donnerstagnachmittag erwartet./bw/DP/mis