WASHINGTON (dpa-AFX) - Zweieinhalb Wochen vor der Präsidentenwahl in den USA hat Amtsinhaber Donald Trump seine Angriffe gegen die Familie seines Herausforderers Joe Biden verschärft. "Joe Biden ist ein korrupter Politiker", sagte der Republikaner am Freitag (Ortszeit) bei einem Wahlkampfauftritt in Ocala im US-Bundesstaat Florida. "Und die Biden-Familie ist ein kriminelles Unternehmen." Kommentatoren der "New York Times" riefen unterdessen die Wähler in einem eindringlichen Meinungsartikel zur Abwahl Trumps auf, der seines Amtes nicht würdig sei. Der Artikel wurde nicht in Zusammenhang mit Trumps jüngsten Aussagen, sondern mit Blick auf seine fast vierjährige Amtszeit veröffentlicht.

Trumps Bemühungen um seine Wiederwahl stellten "die größte Bedrohung für die amerikanische Demokratie seit dem Zweiten Weltkrieg dar", schreibt das Editorial Board, eine Gruppe von Kommentatoren, die unabhängig von der Nachrichtenredaktion der renommierten US-Zeitung arbeitet. "Die Ungeheuerlichkeit und Vielfalt der Vergehen von Mr. Trump kann überwältigend sein. Wiederholung hat das Gefühl der Empörung abgestumpft und die Anhäufung neuer Aufreger lässt wenig Zeit, sich mit den Einzelheiten zu befassen."

Trumps Auftritt in Florida ist ein weiteres Beispiel dafür, dass er als Präsident mit seiner Art Normen und Gepflogenheiten außer Kraft setzte. Der 74-Jährige beschuldigte seinen Rivalen und dessen Familie, reich geworden zu sein, "während Amerika ausgeraubt wurde". Trump bezeichnete "Mainstream-Medien" als "Volksfeinde" und warf ihnen vor, über "die weltweit größte Geschichte" nicht zu berichten - gemeint war die angebliche Korruption des Demokraten Biden.

Trump-Anhänger skandierten bei der Nennung von Bidens Namen "Sperrt ihn ein" - mit dieser Parole hatten Trump-Unterstützer im Wahlkampf vor vier Jahren dessen Herausforderin Hillary Clinton bedacht. Trump erhebt seit langem und ohne Beweise Korruptionsvorwürfe gegen Ex-Vizepräsident Biden und gegen dessen Sohn Hunter, die nun von der Boulevardzeitung "New York Post" befeuert wurden.

Die Zeitung versuchte in den vergangenen Tagen in mehreren Artikeln, Joe Biden mit früheren Geschäften seines Sohnes Hunter Biden in der Ukraine und in China in Verbindung zu bringen. Das Blatt veröffentlichte E-Mails, die belegen sollten, dass Hunter Biden damals versucht habe, Profit aus dem Amt seines Vaters als Vizepräsident unter Barack Obama zu schlagen. Die Zeitung wertete die Mails auch als Beleg dafür, dass Joe Biden entgegen seiner Aussage von den umstrittenen Auslandsgeschäften seines Sohnes gewusst habe. Biden bestreitet, dass er sich etwas habe zuschulden kommen lassen. Am Freitag nannte er die Artikel der "New York Post" eine "Schmutzkampagne".

Die Echtheit der Mails ist nicht bestätigt. Fragwürdig ist auch, wie sie öffentlich wurden. Sie sollen auf einem Laptop in einer Reparaturwerkstatt gefunden worden sein. Die "New York Post" bekam nach eigenen Angaben vor einer Woche eine Kopie der Festplatte von Rudy Giuliani, dem langjährigen persönlichen Anwalt und Vertrauten Trumps. Die Kopie sei vom Besitzer der Reparaturwerkstatt angefertigt worden, bevor der Laptop im Dezember 2019 von der Bundespolizei FBI beschlagnahmt worden sei, berichtete die Zeitung.

Hunter Biden war zwischen 2014 und 2019 Mitglied im Aufsichtsrat des Gaskonzerns Burisma. Trump bezichtigte Biden unter anderem, sein Amt als Vizepräsident genutzt zu haben, um zu versuchen, seinen Sohn vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Biden weist das zurück. Trump wollte dazu Ermittlungen in der Ukraine erreichen. Der Konflikt brachte ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ins Rollen, das im Februar an der republikanischen Mehrheit im Senat scheiterte.

Trump liegt in landesweiten Umfragen hinter Biden. Wegen des komplizierten Wahlsystems sind diese aber mit Vorsicht zu genießen. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, warf den Umfrageinstituten am Samstag vor, mit "aufgeblasenen" Umfragen die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Die "New York Times" schreibt über Trump, er stehe "ohne echte Rivalen als der schlechteste amerikanische Präsident in der modernen Geschichte da". Die Kommentatoren vertiefen ihre Vorwürfe in weiterführenden Artikeln am Beispiel einzelner Themen. Trumps Amtszeit habe gezeigt, dass er nicht in der Lage sei, die dringlichsten Probleme des Landes zu lösen, weil er selbst das dringlichste Problem des Landes sei. Er sei ein "rassistischer Demagoge", ein "Isolationist" und ein "ewiger Showman".

Die "Fundamente der amerikanischen Zivilgesellschaft" hätten bereits gebröckelt, bevor Trump 2015 seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur bekanntgab, hieß es in dem Artikel weiter. "Aber er hat die schlimmsten Tendenzen in der amerikanischen Politik verschärft: Unter seiner Führung ist die Nation polarisierter, paranoider und gemeiner geworden." Es könne Jahrzehnte dauern, bis das volle Ausmaß seines Fehlverhaltens ans Licht komme. "Aber was bereits bekannt ist, ist schockierend genug."

Die "New York Times" hat sich Anfang Oktober offiziell hinter Joe Biden gestellt. Zuvor hatte bereits das Editorial Board der "Washington Post" Biden und der Vizekandidatin Kamala Harris offiziell die Unterstützung ausgesprochen und Trump als den "schlechtesten Präsidenten der Neuzeit" bezeichnet./cy/lkl/DP/edh