Frankfurt (Reuters) - Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) will Insidern zufolge der Bundesregierung ein Konzept vorlegen, damit im Fall einer Gasnotlage besonders auf den Brennstoff angewiesene Firmen ihren Betrieb aufrechterhalten können.

Der Verband wolle die Bundesnetzagentur beraten, die bei einem Mangel an Erdgas entscheiden muss, in welcher Reihenfolge Betriebe weiter beliefert werden oder nicht, sagten mehrere mit den Überlegungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Deutschland will sich damit für den Fall wappnen, dass Russland seine Lieferungen stoppt. Insbesondere energieintensive Firmen der Stahl-, Glas- oder Chemieindustrie befürchten hohe Schäden für ihre Produktion, die sich auch auf weitere Branchen auswirken könnten.

Der BDI wolle mit seinen Vorschlägen dafür sorgen, dass die Folgen für die Betriebe abgefedert würden, sagten die Insider. Anfang Juni wolle der Lobbyverband der Netzagentur seine Ideen erläutern. Er schlage ein Auktionsmodell vor. Der Staat würde Firmen belohnen, die ihre Produktion kürzen oder ganz einstellen und damit Gas den Betrieben überließen, die dringender darauf angewiesen seien, sagte ein Insider. Ein anderer sagte, Gasbezugsrechte könnten verkauft werden. Die genauen Details würden noch geklärt. Die Netzagentur hat sich offen gezeigt für Auktionen, die auch schon bei der Abschaltung von Kohlekraftwerken genutzt wurden.

MITTELSTAND SIEHT SICH BENACHTEILIGT

Mittelständler schlagen indes Alarm. "Gasverbrauchsrechte per Auktion zu vergeben ist weder fair noch effizient", sagte der Chefvolkswirt der Organisation "Der Mittelstand.BVMW", Hans-Jürgen Völz. "Große, finanzstarke Unternehmen haben bei solchen Auktionen eine deutlich höhere Schmerzgrenze als mittelständische Betriebe." Zugleich spiele der Faktor Energie bei der Produktkalkulation der Unternehmen eine sehr unterschiedliche Rolle. "All diejenigen, für die die Energiekosten nur einen geringen Teil der Produktionskosten ausmachen, werden in den Auktionen deutlich aggressiver agieren können."

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte kürzlich sein Vorgehen im Fall einer Gasnotlage beschrieben. Zu den geschützten Kunden gehörten neben Feuerwehr, Krankenhäusern, der Polizei, Schulen, Kitas, Gefängnissen oder der Bundeswehr auch alle Privathaushalte mit einem Gasverbrauch von bis zu 10.000 Kilowattstunden Gas im Jahr, sagte Müller der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er stellte zudem Kriterien für die Großverbraucher vor. Dazu gehörten die Dringlichkeit der Maßnahme und die Größe des Unternehmens. Ein weiterer Aspekt seien die Vorlaufzeiten: Einige Firmen bräuchten mehr Zeit, um geordnet herunterzufahren. Außerdem gehe es um die volks- und betriebswirtschaftlichen Schäden. Berücksichtigt würden auch die Kosten und die Dauer für die Wiederinbetriebnahme sowie die Bedeutung der Versorgung für die Allgemeinheit, etwa mit Lebensmitteln oder Medikamenten. Gaskraftwerke sollten abgeschaltet werden, sofern sie nicht der Netzstabilität dienten. Zu den ersten Betrieben, denen der Hahn zugedreht werden könnte, gehörten Schwimmbäder und weitere Freizeiteinrichtungen. Es sei aber nicht möglich, eine eindeutige Reihenfolge festzulegen.