Der Supreme Court teilte am Dienstag mit, den Antrag auf Revision von Bayer im Fall des kalifornischen Klägers Edwin Hardeman nicht anzunehmen. Die Entscheidung hatte sich bereits abgezeichnet, nachdem Generalstaatsanwältin Elizabeth Prelogar, die die US-Regierung vor dem Supreme Court vertritt, dem Gericht von der Annahme des Antrags abgeraten hatte. Das Gericht folgt in der Regel den Empfehlungen. Bayer hofft nun in Kürze auf eine zweite Chance in einem weiteren verlorenen Fall, für den das Unternehmen ebenfalls einen Antrag auf Überprüfung des Urteils beim Supreme Court eingereicht hat.

"Wir können die Ablehnung des Falls Hardeman durch den Supreme Court nicht nachvollziehen", teilte der Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern in einer Stellungnahme mit. "Die Entscheidung untergräbt die Verlässlichkeit von Regulierungsentscheidungen für Unternehmen, weil sie zulässt, dass jeder einzelne Bundesstaat der USA unterschiedliche Gebrauchshinweise verlangen kann." Vorstandschef Werner Baumann hatte für ein Urteil des Supreme Courts zugunsten Bayers eigentlich gute Gründe gesehen, da die US-Umweltbehörde EPA selbst Warnhinweise vor möglichen Krebsgefahren bei dem Herbizid verboten hat. Sie hatte befunden, dass glyphosatbasierte Unkrautvernichter sicher genutzt werden können und nicht krebserregend sind.

Allerdings hat ein US-Bundesberufungsgericht der EPA jüngst eine neue Risikoprüfung von Glyphosat aufgetragen. Demnach muss erneut untersucht werden, ob der Wirkstoff ein unangemessenes Risiko für Mensch und Umwelt darstellt. Die Richter stellten sich damit auf die Seite von mehreren Umwelt-, Farmarbeiter- und Lebensmittelschutzgruppen. Diese hatten der EPA vorgeworfen, keine ausreichende Prüfung einer etwaigen krebserregenden Wirkung und möglichen Bedrohung für gefährdete Arten vorgenommen zu haben.

Bislang hat Bayer in der Glyphosat-Klagewelle in den USA drei Prozesse mit millionenschweren Schadenersatzzahlungen verloren. Im Fall Hardeman - der seine Krebserkrankung auf die jahrelange Verwendung des glyphosathaltigen Herbizids Roundup von Bayer zurückführte - waren die Leverkusener im vergangenen August bis vor den Supreme Court gezogen. In einem weiteren dieser Fälle, dem des Ehepaars Pilliod, hatte Bayer im März seinen Berufungsantrag beim Supreme Court eingereicht. Eine Entscheidung dazu erwartet Bayer "demnächst". Vor der Sommerpause des Gerichts gibt es noch eine Sitzung, die für den 23. Juni angesetzt ist. Der Supreme Court kommuniziert die Entscheidungen in der Regel am Montag darauf. An der Prozessfront hatte sich das Blatt zuletzt zugunsten Bayers gewendet: Erst vor wenigen Tagen gewann das Unternehmen den vierten Glyphosat-Fall in Folge.

Eine Entscheidung des Supreme Courts zugunsten Bayers würde nach Einschätzung von Vorstandschef Baumann mögliche künftige Rechtsstreitigkeiten im Grunde beenden. Für den Fall einer negativen Entscheidung des höchsten Gerichts hat der Konzern bereits vorgesorgt und im vergangenen Jahr zusätzliche Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet. Zudem wurde ein umfassender Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten aufgelegt, um in den kommenden 15 Jahren mit Forderungen neuer Kläger umzugehen.

Das Unternehmen will demnach Krebspatienten, die eine Klage gegen Bayer erwägen und bestimmte Kriterien erfüllen, die Teilnahme an einem Programm anbieten, über das sie auf schnellem Weg eine Entschädigung erhalten sollen, ohne dafür jahrelang den Rechtsweg beschreiten zu müssen. Da die überwiegende Mehrheit der Kläger die Roundup-Produkte zur Unkrautvernichtung privat eingesetzt hat, will Bayer ab 2023 zudem keine glyphosathaltigen Produkte mehr an Privatkunden verkaufen. Dabei sieht sich das Unternehmen "voll im Zeitplan".

Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat Bayer stets zurückgewiesen. Behörden weltweit haben das Mittel als nicht krebserregend eingestuft. Allein die Krebsforschungsagentur IARC bewertete den Wirkstoff 2015 als "wahrscheinlich krebserregend". Auf diese Einschätzung beriefen sich die Kläger. Um die Klagewelle vom Tisch zu bekommen, hatte Bayer im Sommer 2020 einen Vergleichsplan über 11,6 Milliarden Dollar bekanntgegeben. Der zuständige Richter lehnte aber den Vorschlag des Konzerns zum Umgang mit künftigen Klagen ab. Zuletzt standen noch für rund 31.000 der insgesamt 138.000 eingereichten und drohenden Klagen Einigungen aus.

(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern 030 2201 33711 (für Politik und Konjunktur) 030 2201 33702 (für Unternehmen und Märkte)