Vilnius/Frankfurt (Reuters) - In Litauens Handelsstreit mit China wegen seiner Haltung zur Taiwan-Frage drängen deutsche Unternehmen das EU-Land zum Einlenken.

Sie fürchten, dass eine dauerhafte Blockade ihren Lieferketten schaden könnte. In einem Schreiben an das litauische Außen- und das Wirtschaftsministerium, das Reuters vorlag, erklärte die deutsch-baltische Handelskammer, die Einfuhr chinesischer Maschinen und Teile sowie der Verkauf von in Litauen produzierten Produkten in die Volksrepublik sei zum Erliegen gekommen. Sie forderte Litauen auf, eine "konstruktive Lösung" zur Wiederherstellung der Beziehungen mit China zu suchen. Einige Unternehmen hätten sonst keine Wahl, als die Produktion in Litauen einzustellen. Betroffen ist vor allem die Autoindustrie, die viele Fahrzeuge in China verkauft und Teile in Osteuropa herstellen lässt.

Auslöser der Krise war die Entscheidung Litauens, Taiwan die Eröffnung eines Repräsentanzbüros zu erlauben. China betrachtet die Insel als Teil seines Territoriums und bekämpft Bemühungen um Eigenständigkeit rigoros. Litauen wurde von der Liste der chinesischen Handelspartner gestrichen, nun können keine Zollformulare mehr für Ladungen aus Litauen eingereicht werden. Das kommt einer Blockade gleich, die sich nach Branchenangaben auf die weltweit vernetzten Lieferbeziehungen auswirkt.

Zwei Insidern zufolge trifft das zum Beispiel den Zulieferer Continental, der in seinem Werk in Kaunas 100 Kilometer westlich der litauischen Hauptstadt Vilnius elektronische Komponenten herstellt. Dies habe Folgen auch für große Kunden wie BMW und Volkswagen gehabt. Volkswagen erklärte indes, seine Produktion sei nicht betroffen. BMW und Continental wollten sich nicht äußern. Aus Firmenkreisen hieß es, auch Unternehmen aus anderen Branchen würden in Mitleidenschaft gezogen. Sie scheuten sich jedoch, in die Öffentlichkeit zu gehen.

Diese Woche habe der litauische Präsident Gitanas Nauseda Gespräche mit Wirtschaftsführern geführt, sagte eine Person mit Kenntnis der Diskussion. Er sei aufgefordert worden, eine "sofortige Deeskalation" des Konflikts einzuleiten. Im vergangenen Monat hatte sich die litauische Premierministerin Ingrida Simonyte nach Angaben eines Teilnehmers mit Führungskräften von Continental getroffen, um deren Bedenken anzuhören. Der Gesamtschaden für die Industrie belaufe sich auf Hunderte Millionen Euro, sagte die Person.

"CHINAS VERTRAUEN MISSBRAUCHT"

Eine Aussicht auf eine baldige Beilegung des Konflikts gibt es nach Einschätzung von Insidern nicht. China bestreitet zwar, wirtschaftlichen Druck auszuüben, trägt aber nicht zur Entschärfung bei. Das chinesische Außenministerium erklärte gegenüber Reuters, die litauische Regierung habe Chinas Vertrauen missbraucht. "Damit die Beziehungen zwischen China und Litauen wieder in Gang kommen, muss Litauen zunächst seine Haltung ändern und praktische Maßnahmen ergreifen, um seine Fehler zu korrigieren", teilte das Außenministerium mit.

Eine Vermittlung durch die EU lehnt die Volksrepublik ab: "Probleme zwischen China und Litauen sollten und können nur über bilaterale Kanäle zwischen China und Litauen gelöst werden", erklärte das Außenministerium. "Es ist unwahrscheinlich, dass die Verknüpfung von China-Litauen-Fragen mit den Beziehungen zwischen China und der EU das Problem löst."

Auch von europäischer Seite ist keine Entspannung in Sicht: Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, die Europäische Union werde sich gegen Zwangsmaßnahmen wehren. "Wir stehen zu Litauen. Litauische Exporte sind EU-Exporte", fügte er hinzu. Die Kommission werde Fakten und Beweise sammeln, um festzustellen, ob China die internationalen Handelsregeln einhalte. "Wir werden nicht zögern, unsere Rechte zu verteidigen", sagte der Sprecher.

Unterdessen bot Frankreich dem EU-Partner Litauen Unterstützung an. "Wenn ein litauisches Unternehmen chinesische Komponenten für seine Produktion benötigt, diese aber nicht finden kann, weil China blockiert, helfen wir gerne", sagte Handelsminister Franck Riester. Er bot an, Kontakte zu Unternehmen aus Frankreich oder anderen Mitgliedstaaten zu vermitteln.