Genf (awp) - Am 7. September kommt es an der Generalversammlung des Schmuck- und Uhrenherstellers Richemont um die Besetzung des Verwaltungsrats zu einer Kampfwahl. Der aktivistische Investor Bluebell Capital rüttelt an den Machtverhältnissen des von der Rupert-Familie dominierten Luxusgüterkonzerns.

An der GV in Genf steigen der von Bluebell portierte, ehemalige Bulgari-Chef Francesco Trapani und die von Richemont vorgeschlagene Wendy Luhabe in den Ring um den reservierten Platz für die A-Aktionäre im Verwaltungsrat. Eine Prognose über den Ausgang der Ausmarchung ist derzeit kaum möglich.

Zur Einordnung: Das Kapital von Richemont ist zu gleichen Teilen in A- und B-Aktien unterteilt, wobei die Familie Rupert mit einer Beteiligung von gut 9 Prozent dank der stimmgewichtigen B-Aktien über die Hälfte der Stimmkraft auf sich vereint.

Generalversammlungen von Richemont sind daher in der Regel eine langweilige Angelegenheit: Die Traktandenliste ist mit den vom 18-köpfigen Verwaltungsrat gesetzten Themen bestückt, der in Gnaden der Rupert-Familie steht. Die Halter der sich im Streubesitz befindenden A-Aktien können höchstens mit Gegenstimmen ihrem Unmut freien Lauf lassen. Auch sind kritische Voten aus dem Aktionariat mangels Aussicht auf Einflussnahme selten.

Bluebell wagt Angriff

Doch nun sollen sich die Machtverhältnisse in Richtung der A-Aktionäre verschieben. Mitte Juli forderte Bluebell öffentlich, dass die A-Aktionäre eine Vertretung in den Verwaltungsrat wählen dürfen, ohne die Stimmen der Rupert-Familie. In einem nächsten Schritt sollten dann im mindestens sechsköpfigen Gremium sogar jeweils gleichviele Vertreter der A- und B-Aktionäre sitzen.

Die Richemont-Gruppe, zu der bekannte Luxusmarken wie Cartier oder IWC zählen, gab für das Begehren einer Vertretung der A-Aktionäre grünes Licht. Verwaltungsratspräsident Johann Rupert stellt sich aber dezidiert gegen den Bluebell-Kandidaten Francesco Trapani und auch gegen die Forderung weiterer A-Vertreter.

Trapani sei für die Wahl nicht geeignet, teilte Rupert in einer am Montag publizierten Ansprache an die Aktionäre mit. Trapani habe zu enge Beziehungen zur LVMH-Gruppe und dessen Hauptaktionär, den Milliardär Bernard Arnault. Schliesslich habe er in den Jahren 2011 bis 2019 wichtige Ämter im französischen Luxusgüterkonzern bekleidet.

Hinzu kommt laut Rupert, dass Bluebell mit ihrer "relativ kleinen Beteiligung" an Richemont nicht dazu legitimiert sei, die A-Aktionäre im Verwaltungsrat zu vertreten. Wie gross die Beteiligung ist, ist nicht bekannt. Bislang wurde die meldepflichtige Schwelle von 3 Prozent nicht überschritten.

Johann Rupert schickt die südafrikanische Unternehmerin Wendy Luhabe ins Rennen, die bereits seit 2020 im Verwaltungsrat sitzt. Das wiederum bezeichnete Bluebell in den Medien und auch gegenüber AWP "als Witz". Luhabe sitze auf Vorschlag der Richemont-Besitzer im Verwaltungsrat. Es brauche eine andere Person, welche die A-Aktien vertrete, sagten Bluebell-Vertreter.

Hilfe von anderen Aktionären?

Das Investmenthaus, zu dessen Mitgründern Trapani zählte, ist im Vergleich zu anderen aktivistischen Investoren klein. Trotzdem gelangen Bluebell in Kampagnen wie gegen die italienische Bank Monte dei Paschi di Siena oder den französischen Nahrungsmittelkonzern Danone dank Unterstützung anderer Aktionäre einige Erfolge. Die Bank wurde zum radikalen Umbau gedrängt und bei Danone kam es zum Chefwechsel.

Ob Bluebell auch den Kampf um Einfluss im Richemont-Verwaltungsrat gewinnt, ist offen. Möglicherweise kann Bluebell wie bereits im Danone-Fall auf die Schützenhilfe des US-Investmentfonds Artisan Partners zählen, der ebenfalls zu einem kleinen Teil an Richemont beteiligt ist. Gut möglich, dass auch Third Point von Investor Daniel Loeb mit im Boot sitzt. Loeb ist in der Schweiz als Herausforderer von Nestlé bekannt geworden.

Ein Dorn im Auge der Aktivisten ist auch die Online-Strategie von Richemont. Diese hat mit Investitionen in den noch immer Verluste schreibenden Onlinehändler YNAP grosse Summen an Geld verschlungen. Richemont sucht nach wie vor nach Partnern aus dem Luxusgütersektor, um mit YNAP und dem britischen Onlineverkäufer Farfetch eine schlagkräftige Onlineplattform für Luxusgüter aufzubauen.

mk/rw