- von Tom Käckenhoff und Vera Eckert

Düsseldorf/Frankfurt (Reuters) - Die Betreiber von Strom- und Gasnetzen bekommen nach einer Entscheidung der Bundesnetzagentur ihre Investitionen künftig mit einem niedrigeren Zinssatz vergütet als bislang.

Der Regulierer gab am Mittwoch die neuen Eigenkapitalzinssätze bekannt, die für die Gasnetzbetreiber im Jahr 2023 beginnt, und für Stromnetzbetreiber im Jahr 2024. Für Strom- und Gasnetzbetreiber legte die Behörde einen Eigenkapitalzinssatz für Investitionen in Neuanlagen von 5,07 Prozent vor Körperschaftsteuer fest nach derzeit 6,91 Prozent. Für Altanlagen gelte ein Zinssatz von 3,51 Prozent vor Körperschaftsteuer nach bisher 5,12 Prozent. Von den Versorgern und der Gewerkschaft Verdi kam scharfe Kritik. Betroffen sind hunderte Stadtwerke und Regionalversorger, aber auch Energieriesen wie E.ON und EnBW.

"Die gesunkenen Zinssätze spiegeln das geringere Zinsniveau an den Kapitalmärkten wider. Investitionen in die Netze bleiben dauerhaft attraktiv", sagte Netzagentur-Präsident Jochen Homann. Die Renditen der Netzbetreiber würden von den Netznutzern bezahlt, also Verbrauchern, Industrie und Gewerbe. "Diese dürfen nicht unnötig belastet werden." Die Netzbetreiber hatten vor zu hohen Kürzungen gewarnt und auf die Milliardensummen verwiesen, die im Zuge der Energiewende für den Netzausbau benötigt würden.

"Wir haben einerseits im europäischen Vergleich durch die Energiewende den größten Investitionsbedarf in die Netze. Wir bekommen nun aber eine - ebenfalls im europäischen Vergleich - extrem niedrige Kapitalverzinsung", kritisierte der Karlsruher Versorger EnBW. Das passe nicht zusammen.

"Die heute von der Bundesnetzagentur veröffentlichte Absenkung des Eigenkapitalzinssatzes um mehr als ein Viertel sendet ein völlig falsches Signal", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung des Stromlobbyverbandes BDEW und des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Dieser Zinssatz gefährde die Leistungsfähigkeit der Netzbetreiber und die Investitionen in die Netzinfrastruktur, die für Klimaschutz und Versorgungssicherheit notwendig seien.

LICHTBLICK - MILLIARDENGESCHENK AN DIE VERSORGER

Die Entscheidung bedeute eine deutliche Absenkung gegenüber der heutigen Verzinsung für Netz-Investitionen, erklärte die Gewerkschaft Verdi. Damit steige der Kostendruck bei Strom und Gasnetzen weiter. Dadurch gebe es weniger Spielraum für gute Arbeitsbedingungen, Tarifsteigerungen und den dringend benötigten Aufbau von Beschäftigung. Im November vergangenen Jahres hatten Verdi und über 70 Betriebsratsvorsitzende von Stadtwerken und Regionalversorgern in einem Brief an die Politik und die Bundesnetzagentur davor gewarnt, mit einer zu hohen Absenkung Investitionen in die Netze abzuwürgen und Arbeitsplätze zu gefährden.

Die Strom- und Gasnetze spielen eine Schlüsselrolle bei der Energiewende. Strom aus Windenergieanlagen in Norddeutschland an Land und auf See muss beispielsweise über lange Strecken zu den großen industriellen Verbrauchern im Süden der Republik transportiert werden. Gasleitungen sollen wenn möglich Wasserstoff transportieren, mit dem die Chemie-, Stahl- und Zementindustrie ihre Produktion klimafreundlich aufstellen können. Das alles kostet Milliardensummen.

Dagegen gehen dem Hamburger Ökostromversorger LichtBlick die Senkungen nicht weit genug. Rund ein Viertel der Stromkosten eines Haushaltes entfalle auf die Finanzierung der Stromleitungen. Das sei ein schlechter Tag für alle Stromkunden. "Die Bundesnetzagentur verteilt ohne Not Milliardengeschenke an Konzerne und Stadtwerke."