Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Der Vorstandsvorsitzende der Mercedes-Benz Gruppe - Ola Källenius - bringt das Problem passend auf den Punkt. "Obwohl jeder weiß, dass Mercedes so etwas wie die ursprüngliche Elite-Luxusmarke in der Autoindustrie ist, wurde die Aktie vielleicht nicht in dieser Kategorie gesehen." Doch diese Wahrnehmungslücke zu überbrücken ist nicht so einfach, wie es vielleicht klingt.

Auf einem Strategietag in der Nähe von Monaco legte Mercedes zuletzt einen Plan vor, um die Denkweise der Investoren zu ändern. Das Unternehmen hat sich vorgenommen, mehr Fahrzeuge des oberen Segments zu verkaufen - solche, die mehr als 100.000 Euro kosten - und weniger, dafür bessere Einsteigerfahrzeuge zu höheren Preisen. Außerdem will das Unternehmen auf den hohen Verkaufspreisen aufbauen, die es in der jüngsten Zeit der begrenzten Halbleiterlieferungen und Fahrzeugproduktion am Markt durchsetzen konnte.

Der Konzern hofft, dass sich dies in höheren, stabileren Gewinnspannen niederschlägt. Unter günstigen Marktbedingungen rechnet Mercedes mit einer operativen Gewinnmarge von 14 Prozent in seiner wichtigsten Autosparte, die inzwischen den größten Teil des Unternehmens ausmacht. Selbst unter schlechten Bedingungen würde sie wohl nicht unter 8 Prozent rangieren. Dies liegt deutlich unter dem Niveau des exklusivsten börsennotierten Automobilherstellers Ferrari - mit 25,9 Prozent im ersten Quartal - oder des Autotechnologie-Pioniers Tesla mit seinen 19,2 Prozent. Sie rangiert auch unter den operativen Margen anderer Hersteller der gehobenen Klasse, wie dem Handtaschen- und Champagnerriesen LVMH - ein Unternehmen, mit dem Mercedes in Bezug auf den Marktwert früher gleichgezogen hat - oder auch Apple.


   Konzernchef Källenius hört stärker als Vorgänger auf den Aktienmarkt 

Dennoch würde der Mercedes-Plan, wenn er erfolgreich ist, einen neuen finanziellen Maßstab für das setzen, was die Automobilindustrie üblicherweise als "Premium"-Marke bezeichnet - eine Marke, die edel ist, sich aber in breitem Besitz befindet. Das Unternehmen, dessen Aktien derzeit mit weniger als dem Sechsfachen des voraussichtlichen Gewinns gehandelt werden, könnte dann mit einer höheren Bewertung belohnt werden. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern konzentriert sich Källenius auf Fragen des Marktwerts. Als symbolische Geste für die Verpflichtung des Unternehmens zu einer strikteren Kapitalallokation kündigte er zuletzt sogar den Verkauf eines einzelnen historischen Mercedes aus der riesigen Sammlung des Unternehmens für wohltätige Zwecke an. Er war für 135 Millionen Euro zu haben - das ist damit das bei weitem teuerste jemals verkaufte Auto.

Diese Strategie ist zwar sinnvoll, aber ihr Erfolg ist alles andere als sicher. Die Verschiebung des Modellportfolios nach oben scheint in der Hand von Mercedes zu liegen, die Beibehaltung der Vorteile der heutigen knappheitsbedingten Preisgestaltung dagegen weniger. Das Unternehmen wird gegen den Strom schwimmen, wenn sich die Produktion in der Branche normalisiert, und es will immer noch ein jährliches Umsatzwachstum von etwa 5 Prozent erreichen. LVMH, Apple und jetzt auch Tesla haben gezeigt, dass eine strenge Kontrolle über den Vertrieb ihrer Produkte die Preisdisziplin, die Bindung an die Verbraucher und die Kosteneffizienz fördert, auf der überdurchschnittliche Gewinnspannen aufbauen. Mercedes geht in Europa zügig zu einem Direktvertriebsmodell über, aber die Gesetze zum Schutz der Unabhängigkeit der Händler machen es schwierig, dies in den USA nachzuahmen.


   Mercedes verdient relativ wenig mit Elektroautos 

Hinzu kommt die Frage der Elektrofahrzeuge, die für alle außer Tesla nicht sehr profitabel sind. Mit 16,4 Prozent erzielte Mercedes im ersten Quartal eine noch höhere Betriebsmarge, als es jetzt in guten Zeiten erwartet, aber nur 4 Prozent der verkauften Autos waren vollelektrisch. Wenn diese Zahl schnell ansteigt, wird es die Konzernmarge treffen. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte das Unternehmen Kunden an Tesla verlieren.

Die Mercedes-Aktie gab zuletzt um 2 Prozent nach, während die Aktie des traditionellen Konkurrenten BMW mehr oder weniger unverändert blieb. Die Anleger waren wahrscheinlich enttäuscht von den langfristigen Margenzielen von 14 Prozent nach dem fulminanten ersten Quartal. Abschwungsängste scheinen die vorherrschende Position der Anleger in der gesamten Branche zu sein, und das war nichts, was Källenius erfolgreich ausräumen konnte. Nur beständige Ergebnisse, insbesondere in schwierigeren Zeiten, werden beweisen, dass Mercedes sich zu einem Qualitätsunternehmen und einer Qualitätsmarke entwickelt. Da das Risiko einer Rezession zunimmt, könnte sein Argument eher früher als später auf die Probe gestellt werden.

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May 20, 2022 09:18 ET (13:18 GMT)