BRÜSSEL (AFP)--Das EU-Parlament hat wegen der Verhaftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny einen Baustopp für das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2 gefordert. Die EU müsse die Fertigstellung der Pipeline "umgehend verhindern", heißt es in einer Entschließung, die am Donnerstag in Brüssel angenommen wurde. Die meisten Abgeordneten der deutschen Unionsparteien, der SPD, AfD und der Linken lehnten den entsprechenden Teil der Entschließung ab. Die gesamte Entschließung fordert außerdem Sanktionen unter anderem gegen "russische Oligarchen".

Nord Stream 2 führt durch die Ostsee und soll das Potenzial für russische Gaslieferungen nach Deutschland deutlich erhöhen. In der EU ist das Projekt seit langem umstritten und auch die USA lehnen es ab. "Die Befürworter dieser Putin-Pipeline können nicht so tun, als verteidigten sie ein europäisches Anliegen gegen eine amerikanische Zumutung", erklärte der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer.

Die deutschen Grünen-Abgeordneten schlossen sich wie auch die FDP der ablehnenden Mehrheit im EU-Parlament an. Die SPD hielt hingegen nahezu geschlossen zum Kurs der Bundesregierung, die weiterhin an der Pipeline festhält. So verhielt es sich auch in den Delegationen von AfD und der Linken.

Die Delegation von CDU und CSU ist in der Frage gespalten: Eine knappe Mehrheit stimmte gegen eine Verurteilung des deutsch-russischen Projektes, viele Abgeordnete enthielten sich, Fraktionschef Manfred Weber (CSU) stimmte gemeinsam mit einer Reihe weiterer deutscher Konservativer dafür.

Der Vorstoß des EU-Parlaments entzündete sich an den jüngsten Entwicklungen im Fall des russischen Oppositionellen Nawalny. Er war am Sonntag direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland in Moskau festgenommen und inhaftiert worden. In Berlin war er nach einem Giftanschlag im August in Sibirien behandelt worden, für den er den Kreml verantwortlich macht.

Das Vorgehen der russischen Behörden verurteilten die Abgeordneten als "politisch motivierte Repression". Offensichtlich solle so "die Enthüllung weiterer schwerer Korruptionsfälle" in Russland verhindert und mit Blick auf die Parlamentswahlen im Herbst die politische Opposition zum Schweigen gebracht werden. Der Kreml zeige "seine Verachtung gegenüber der eigenen Bevölkerung" und verfolge "rücksichtslos den eigenen Machterhalt".

Die Abgeordneten fordern deshalb Sanktionen gegen Beteiligte am Vorgehen gegen Nawalny und andere Oppositionelle. Auch "russische Oligarchen, die Verbindungen zum Regime haben und dem inneren Zirkel um Präsident (Wladimir) Putin angehören" sowie "in den Medien tätige Propagandisten" sollten sanktioniert werden. Dafür könnten Vermögen in der EU eingefroren und die Betroffenen und ihre unmittelbaren Familienangehörigen mit Einreisesperren belegt werden.

Derartige Sanktionen müssten einstimmig durch die 27 EU-Mitgliedstaaten beschlossen werden. Bisher kamen Rufe nach weiteren Sanktionen wegen Nawalnys Festnahme insbesondere aus den drei baltischen Staaten. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sollen die Außenminister bei ihrem Treffen am Montag über die Frage beraten.

Laut Borrell sind Brüssel zumindest beim Bau der Nord-Stream-2-Pipeline allerdings die Hände gebunden: "Wir können die Unternehmen nicht daran hindern sie zu bauen, wenn die deutsche Regierung sie befürwortet", sagte er am Dienstag im EU-Parlament. Im Betrieb unterliege die Gasleitung anschließend aber EU-Regeln.

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January 21, 2021 12:22 ET (17:22 GMT)