- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz

Düsseldorf/Frankfurt (Reuters) - Die britische Liberty Steel greift nach der Stahlsparte von Thyssenkrupp.

Liberty habe bei dem Essener Konzern ein erstes, nicht bindendes Angebot für die Sparte mit rund 27.000 Mitarbeitern hinterlegt, teilten die Briten am Freitag mit. Thyssenkrupp wolle die Offerte nun sorgfältig prüfen - und gleichzeitig weiter Gespräche mit anderen potentiellen Partnern führen, erklärte ein Sprecher. An der Börse sorgte die Offerte für Jubel, bei den Arbeitnehmervertretern für Entsetzen. Während der Aktienkurs von Thyssenkrupp am Morgen zeitweise um mehr als 23 Prozent in die Höhe schoss, ging die IG Metall auf die Barrikaden. "Das ist genau das, wovor wir gewarnt haben. Die Politik muss jetzt handeln", sagte IG Metall-NRW-Chef Knut Giesler. Bei einem Verkauf des Stahlgeschäfts an Liberty drohe eine Zerschlagung von Thyssenkrupp Steel Europe und der Verlust vieler Arbeitsplätze.

Liberty Steel sieht das anders: Durch einen möglichen Zusammenschluss beider Stahlkocher könnten diese den Herausforderungen der europäischen Stahlindustrie besser begegnen, warben die Briten. Veränderungen müssten "partnerschaftlich mit Mitarbeitenden gestaltet werden". Zu einem möglichen Preis äußerten sie sich in einer Erklärung nicht. Zur Finanzierung hieß es dort, die Offerte werde von "einer Reihe von Finanzinstitutionen" unterstützt. Insidern zufolge führt Credit Suisse die Banken an. Liberty wolle genauer in die Bücher der Stahlsparte schauen, "um potentiell ein verbindliches Angebot vorlegen zu können", teilte das Unternehmen weiter mit. Die mit Thyssenkrupp geführten Gespräche seien nicht exklusiv.

"Wir werden die Gespräche mit anderen potentiellen Partnern in gleicher Weise wie bisher konsequent fortsetzen", erklärte eine Sprecher des Essener Konzerns. Ziel sei es, das Stahlgeschäft nachhaltig zukunftsfähig zu machen. "Es kommt für uns darauf an, dafür die beste Lösung zu finden", betonte er.

Der Poker um die Zukunft der kriselnden Sparte hat auch die Arbeitnehmer auf den Plan gerufen. Am Vormittag demonstrierten Stahlkocher von Thyssenkrupp in Düsseldorf für einen Staatseinstieg bei der Stahlsparte.

Liberty Steel hat insgesamt mehr als 30.000 Mitarbeiter in Europa, Großbritannien, den USA und China und verfügt über eine Produktionskapazität von 18 Millionen Tonnen. Gegründet wurde das Unternehmen 1992 von Sanjeev Gupta, einem in Großbritannien ansässigen Industrie-Mogul. Er baute den Konzern auch durch Übernahmen aus, darunter Geschäfte von Tata Steel Europe sowie von ArcelorMittal.

STAAT STATT LIBERTY - ARBEITNEHMER AUF DEN BARRIKADEN

"Liberty will offenbar im Ein-Euro-Laden einkaufen", sagte IG-Metall-Bezirkschef Giesler. Die Gewerkschaft und der Betriebsrat fordern seit Wochen einen Einstieg des Staates bei der Stahlsparte. Sie stößt damit aber bislang sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch beim Bund auf Ablehnung. Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz hat einen Verkauf der Stahlsparte nicht ausgeschlossen und auch einen Staatseinstieg plus Partner als Option bezeichnet.

Wie Reuters aus Regierungs- und Gewerkschaftskreisen erfuhr, plant der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, an der Kundgebung teilzunehmen. Er wolle sich in einer Rede an die Stahlkocher wenden, sagten mehrere mit den Plänen vertraute Personen. Der CDU-Politiker sitzt im Kuratorium der Krupp-Stiftung, dem größten Einzelaktionär des Konzerns. Thyssenkrupp-Stahlbetriebsratschef Tekin Nasikkol hatte in einem Reuters-Interview Laschet zu einem klaren Bekenntnis zum Stahl aufgefordert.