Von Stephen Wilmot

LONDON (Dow Jones)--Autoabsatz und Autoaktien sind so eng miteinander verbunden wie eh und je. Der traditionellen Autobranche stünde ein neues Geschäftsmodell deshalb gut zu Gesicht. Bessere Elektrofahrzeuge wären da schon mal ein guter Anfang.

Engpässe bei den Halbleitern beeinträchtigen aktuell die Autoproduktion und den Autoabsatz gleichermaßen erheblich. Im dritten Quartal konnten Stand Mitte September nach einer Schätzung von IHS Markit 3,1 Millionen Autos nicht gebaut werden. Damit hat sich das Problem noch einmal deutlich verschärft: Im zweiten Quartal war es zu einem Produktionsausfall von 2,6 Millionen Pkw gekommen. Der weltweite Absatz im August fiel so niedrig aus wie zuletzt 2011.

Für das vierte Quartal zeichnet sich Erholung nicht ab. Toyota, eigentlich mit seiner soliden Lieferkette ausgestattet und anfänglich scheinbar immun gegen die Chip-Knappheit, senkte in der vergangenen Woche seine Schätzungen für die Oktober-Produktion um 330.000 Autos. "Im Moment rechnen wir mit weiteren erheblichen Störungen", sagte Mark Fulthorpe von IHS Markit.

Die Kurse der Aktien von Autoherstellern alter Schule sind den niedrigeren Produktionsprognosen gefolgt. Vorbei ist es mit dem Optimismus des ersten Halbjahres, als die Hersteller kurzfristige Lösungen fanden und die Analysten ihre Gewinnprognosen angesichts der außergewöhnlich hohen Verkaufspreise reihenweise anhoben. Die Preise bewegen sich zwar immer noch auf hohem Niveau, aber sie legen halt auch nicht mehr zu. Außerdem trübt die Stimmung, dass die Hoffnungen auf ein Ende des Engpasses in immer weitere Ferne rücken.


 Weiterhin extrem hohe Autonachfrage 

Wenn sich die Verfügbarkeit von Chips verbessert, könnten Autoaktien ihre Kursrallye fortsetzen, die einsetzte, als die Pandemie-Einschränkungen im vergangenen Jahr nach und nach aufgehoben wurden. Da viele Menschen Flüge und öffentliche Verkehrsmittel nach wie vor meiden, bleibt die Nachfrage nach Fahrzeugen extrem hoch.

Im Großen und Ganzen sind Aktien traditioneller Autokonzerne weiterh vom Auf und Ab der Verkaufszahlen abhängig. Das ist nicht überraschend, gleichwohl steht es aber im Gegensatz zu dem unbeirrbaren Bekenntnis der jeweiligen Führungsetagen zu Zukunftstechnologien, das ihrerseits eine Reaktion auf den Marktwert von Tesla ist, der inzwischen rund 750 Milliarden US-Dollar erreicht hat. Große technische Versprechungen aus Detroit haben zwar gelegentlich kurstreibend gewirkt. Man denke an GM während der Robotaxi-Rallye von 2017 oder an Ford nach seinem Investorentag im Mai. Das waren aber immer nur Strohfeuer.

Hohe Margen, so wie derzeit, sind für die Gewinne der Autohersteller ebenfalls wichtig - natürlich. Das erklärt, warum Autoaktien bezogen auf ihre Gewinn-Multiples wie üblich niedrig bewertet sind, mit Blick auf die Umsatz-Multiples aber hoch. Dennoch handelt es sich dabei um altmodische Fundamentaldaten. GM, Volkswagen und die anderen sind trotz aller Ambitionen, mit dem Silicon Valley mitzuhalten, so weit wie eh und je davon entfernt, Investoren davon zu überzeugen, dass sie eine Langfristbewertung verdienen, so wie Tesla und andere Start-ups, etwa Rivian oder Lucid.


 Branche müsste sich von Apple eine Scheibe abschneiden 

Kann sich das ändern? Eine Möglichkeit besteht darin, dass Internetverbindungen bei Fahrzeugen es den Autoherstellern erlauben werden, neben dem Fahrzeug auch Cloud-Dienste zu verkaufen. Ein Paradebeispiel wäre Apple. Das Unternehmen konnte sich von niedrigen Hardware-Hersteller-Bewertungen verabschieden, nachdem es sich stärker auf Dienste und Abomodelle konzentrierte. Ford-Chef Jim Farley ist es, der einer dauernden Verbindung per Internet zu den Fahrzeugkäufern das Wort redet, aber in der Realität ist eher Zukunftsmusik.

Kurzfristig könnten Investoren darauf hoffen, dass die traditionellen Autohersteller wettbewerbsfähige Elektroautos entwickeln. Aber hier sieht es noch mau aus. So hat GM die Produktion seines Chevrolet Bolt wegen Brandrisiken eingestellt, und bei Volkswagen sind die Verkaufszahlen seiner Vorzeige-Elektroautos ID.3 und ID.4 bisher enttäuschend.

"Die Unternehmen müssen wirklich gute Elektroautos auf den Markt bringen und in großem Umfang verkaufen, um Tesla das Leben schwerzumachen. Das ist das Einzige, was ich sehe, was helfen könnte, das Bild zu ändern", sagte Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Bernstein. Gute gebaute Elektrofahrzeuge würden die Hersteller zwar nicht aus dem Hamsterrad der Verkaufszahlen befreien, aber sie könnten traditionelle Autoinvestoren davon überzeugen, vermehrt in deren Zukunft zu schauen.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/rio

(END) Dow Jones Newswires

September 16, 2021 10:18 ET (14:18 GMT)