TEHERAN (dpa-AFX) - Ein Gesetz, wonach der Iran ungeachtet seiner internationalen Verpflichtungen die Urananreicherung auf 20 Prozent erhöhen soll, ist am Dienstag in Kraft getreten. Dem vom Parlament verabschiedeten Gesetz zufolge soll die iranische Atomorganisation (AEOI) pro Jahr 120 Kilogramm 20-prozentiges Uran herstellen und lagern. Der derzeitige Urananreicherungsgrad im Iran liegt bei knapp unter 5 Prozent. Das Außenministerium in Teheran hält das Gesetz für kontraproduktiv. Auch die AEOI reagierte wenig begeistert.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna ist dies nur der erste Abschnitt des neuen Gesetzes. In Zukunft solle auch der Vorrat an niedrig angereichertem Uran auf 500 Kilogramm im Monat aufgestockt werden. Zudem soll die AEOI die Herstellung schnellerer Zentrifugen ermöglichen, damit diese in mindestens zwei Anlagen in Betrieb genommen werden können.

Das Gesetz verstößt in allen Punkten gegen das Wiener Atomabkommen von 2015, das den Iran von einem Atomwaffenprogramm abhalten sollte. Der Schritt könnte nicht nur zu ernsthaften Differenzen zwischen dem Iran und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) führen, sondern auch eventuelle Verhandlungen zwischen Teheran und der neuen US-Regierung des gewählten Präsidenten Joe Biden erschweren. Der Iran hofft, dass Biden zum Atomdeal zurückkehrt und die von US-Präsident Donald Trump verhängten Sanktionen gegen Teheran aufhebt.

Das iranische Außenministerium bezeichnete das Gesetz als kontraproduktiv. "Die Regierung hat dem Parlament mitgeteilt, dass dieser legislative Schritt weder nötig noch produktiv war und wahrscheinlich auch für das Volk wenig hilfreich sein wird", sagte Außenamtssprecher Said Chatibsadeh am Dienstag. Das Parlament habe die sachlichen Standpunkte des Außenministeriums ignoriert, obwohl es ratsamer wäre, diese zu berücksichtigen, sagte der Sprecher nach Angaben der Nachrichtenagentur Irna.

Auch die AEOI reagierte mit Unverständnis auf die parlamentarische Entscheidung. "Wir sollten doch unseren Feinden nicht selber einen Gefallen tun", sagte AEOI-Sprecher Behrus Kamalwandi und bezog sich damit auf die USA und Israel, die gegen den Atomdeal sind. Besonders der im Gesetz vorgesehene Ausstieg des Irans aus dem Zusatzprotokoll der IAEA, die dann auch den Zugang von UN-Inspekteuren einschränken würde, könnte nach den Worten Kamalwandis problematisch werden. Das Zusatzprotokoll habe keinerlei Auswirkung auf das Atomprogramm, ein Ausstieg jedoch könnte zu unnötigen internationalen Bedenken führen, sagte der Sprecher nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr.

Im Parlament sitzen hauptsächlich Hardliner und Erzkonservative, die sowohl gegen den Atomdeal als auch gegen die moderate Atompolitik der Regierung von Präsident Hassan Ruhani sind. Entscheidungen über das Atomprogramm des Landes werden allerdings nicht vom Parlament, sondern vom Nationalen Sicherheitsrat getroffen. Daher ist das Inkrafttreten des Gesetzes auch mehr eine Reaktion auf die Ermordung des Atomphysikers Mohsen Fachrisadeh am vergangenen Freitag. Die Botschaft ist, dass das iranische Atomprogramm nach dem tödlichen Anschlag nun noch konsequenter weitergeführt wird./str/fmb/DP/eas