Von Michael Denzin

FRANKFURT (Dow Jones)--Auf spannende Tage können sich Marktteilnehmer in der kommenden Woche einstellen. Klar im Fokus stehen die Zinserhöhungen der Notenbanken aus den USA und Europa. Bei der EZB wird mit einem Schritt von einem halben Prozent oder 50 Basispunkten gerechnet, bei der Fed mit einem kleineren Aufschlag von nur 25 Basispunkten. So weit sind sich die Märkte einig, in den USA wird die Wahrscheinlichkeit dafür mit 98,1 Prozent taxiert. Ganz anders sieht es aber mit Blick auf die Zukunft aus. Die Meinungen über die Ausblicke der Notenbanker und ihren zukünftigen Zinspfaden gehen weit auseinander.


   Markt nimmt die Notenbanken noch immer nicht ernst 

Die Märkte nehmen dabei die Aussagen zahlreicher Notenbank-Mitglieder nicht ernst: Obwohl viele von ihnen US-Zinsen von über 5,00 Prozent als gerechtfertigt bezeichneten, halten einige Marktteilnehmer das nach dem Zinserhöhungszyklus vorherrschende Niveau von 4,50 bis 4,75 Prozent bereits für den Höchststand. Ein negatives Überraschungspotenzial ist damit vorprogrammiert.

Yannik Zufferey, CIO für den Rentenbereich bei Lombard Odier Investment Managers (LOIM), meint dazu, die mangelnde Übereinstimmung zwischen den erklärten Absichten der Zentralbanken und den Vorhersagen der Marktteilnehmer berge das Potenzial für "eine Art Tauziehen zwischen den beiden". Denn die Straffungsbemühungen der Zentralbanken würden durch eine freundliche Marktstimmung konterkariert.

Und bei der Bank of America warnen die Kreditstrategen sogar, dass die Märkte schon in einer extremen Form auf den "Pivot", also den oberen Wendepunkt der Zinsen, setzten: Daraus könnten sich sogar noch "Zinsschocks" entwickeln, falls sich die Inflation als hartnäckig erweise.

Gerade die gefeierte Rückkehr von China als Konjunkturlokomotive der Weltwirtschaft dürfte dazu beitragen. Denn dies werde die globale Nachfrage nach Rohstoffen, Vorleistungen und Transportdienstleistungen deutlich anschieben, warnt Chefvolkswirt Carsten Mumm von Donner & Reuschel. Entsprechend dürfte der Rückgang der Inflationsdaten nachlassen - und die Notenbank ihre erhöhten Zinsen noch länger stabil halten.


   Auspreisen von Rezession in Europa treibt Renditen 

Nimmt man dazu noch die Rückabwicklung des Rezessions-Trades, sehen Händler das Risiko weiteren Drucks auf die Anleihemärkte. So fällt der Bund-Future als Barometer des deutschen und auch europäischen Rentenmarktes schon vier Handelstage vor der US-Sitzung auf ein neues Zweiwochentief. Unter Druck stehen vor allem die länger laufenden Anleihen. Sie waren zuvor besonders von der Aussicht auf eine globale Rezession nach oben getrieben worden. Eine schwache Wirtschaft hätte ja wieder sinkende Zinsen impliziert.

Nun kommt es aber genau anders herum, diese Hoffnung muss ausgepreist werden. Mit steigenden Zinsen und Renditen werden jedoch Anleihekäufe immer attraktiver als Alternative zu Aktien. Einige Vermögensverwalter erreichen ihre Jahresperformance schon allein durch eine gute Rentenanlage mit hohem Kupon. Den Aktienmarkt brauchen sie damit nicht mehr, um Gewinne zu generieren und ihre Zusagen einzuhalten. Aktien könnten damit peu a peu die Käufer wegfallen.


   Flut an Schwergewichten bei Konjunkturdaten 

Neben den Zinsentscheidungen der Notenbanken steht daher kommende Woche auch die Konjunktur im Fokus. Und die hat es in sich: Denn von den US-Arbeitsmarktdaten am Freitag, über die neuen Verbraucherpreise aus Deutschland und der Eurozone, bis hin zu den ersten China-PMI nach der Wiedereröffnung und den ISM-Indizes aus den USA kommt so ziemlich alles, was Rang und Namen in der Indikatorenwelt hat. Dazu gibt der IWF noch die Aktualisierung seiner Prognose für die Weltwirtschaft bekannt. Auf Basis dieses Informationskonglomerats sind fundierte Ausblicke machbar - langfristige Anlageentscheidungen könnten daraus folgen und die Weichen für das Börsenjahr 2023 gestellt werden.

Dazu läuft auch die Berichtssaison in Europa immer stärker an. Die Ausblicke der Unternehmen dürften dabei als Puzzle-Teilchen gesehen werden, die sich immer weiter zu einem Mosaik der Konjunkturerwartungen zusammensetzen. Das bisherige, wenn auch noch nicht repräsentative Bild, deutet schon auf einen stärkeren Konjunkturverlauf hin. Je mehr Unternehmen in diesem Sinne berichten, desto mehr dürften Anleihen unter Druck geraten.

Vor diesem Problem dürfte vor allem Europa stehen, denn zumindest in den USA zeigt sich eine Konjunkturabkühlung in Richtung Rezession. Die Strategen der Societe Generale stellen fest, dass diese Berichtsaison die geringste Zahl an positiven Überraschungen seit fünf Jahren beim Gewinn gebracht habe.


   Auch zu gute Berichtsaison könnte belasten 

In der kommenden Woche sind zunächst die Banken in Europa stark vertreten. Unter anderem legen UBS, Unicredit, Intesa, Santander und Deutsche Bank ihre Geschäftszahlen vor. Spannend dürfte es bei Infineon am Donnerstag werden. Stärkere Geschäftszahlen von Fabrikausstattern wie Fanuc aus Japan und Komax aus der Schweiz deuten bereits an, dass die Investitionen im Automobilsektor höher als erwartet ausfallen. Dies würde aber voraussetzen, dass die Absatzerwartungen der Autoriesen ebenfalls optimistischer sind, und damit ihre Konjunkturerwartungen. Einen ähnlichen Konjunkturindikator liefert am Dienstag Caterpillar in den USA. Für alle Quartalszahlen gilt dabei, was gut ist für Einzelunternehmen, ist schlecht für die Börse als Ganzes.

Dazu ist an den Derivate-Märkten fast schon Leichtsinn beim Weg in die Berichtssaison zu erkennen. So liegen die Volatilitäten von Optionen auf die DAX- und Euro-Stoxx-50-Indizes nur noch um 18 Prozent jährlich. Die Nachfrage nach Kursabsicherungen bewegt sich damit am Dreijahrestief und ist somit rekordverdächtig gering. Von einem zwischenzeitlichen Strohfeuer durch die frischen Kapitalzuflüsse zum Monatsbeginn am Mittwoch sollten sich Investoren daher nicht blenden lassen: Mit Zinserhöhungen und Konjunktur-Datenflut dürfte das Überraschungspotenzial der kommenden Woche eher nach unten gerichtet.

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January 27, 2023 07:56 ET (12:56 GMT)