Berlin (Reuters) - Produzierendes Gewerbe und Dienstleister in Deutschland haben im europäischen Vergleich hohe Arbeitskosten.

Sie zahlten im vergangenen Jahr durchschnittlich 41,30 Euro für eine geleistete Arbeitsstunde, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Das ist der sechsthöchste Wert unter den 27 Mitgliedern der Europäischen Union. Gemessen am EU-Durchschnitt von 31,80 Euro zahlten deutsche Arbeitgeber damit wie schon im Vorjahr rund 30 Prozent mehr. Allerdings fiel der Anstieg diesmal mit 4,8 Prozent niedriger aus als im EU-Schnitt, der bei einem Plus von 5,3 Prozent lag.

"DAS IST EIN WECKRUF"

Luxemburg hatte im EU-Vergleich mit 53,90 Euro die höchsten Arbeitskosten, gefolgt von Dänemark (48,10 Euro) und Belgien (47,10 Euro). Auch die Niederlande (43,30 Euro) und Frankreich (42,20 Euro) lagen noch vor Deutschland. Schlusslicht ist Bulgarien mit 9,30 Euro.

"Das im internationalen Vergleich hohe Niveau entwickelt sich immer mehr zu einem Standortnachteil", sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier. "Nicht nur wegen der hohen Inflationsraten und des Fachkräftemangels sind die Löhne deutlich gestiegen, auch die hohe Steuer- und Abgabenlast verteuern das Personal." Der DIHK-Konjunkturumfrage zufolge sehen rund die Hälfte der Unternehmen in den Arbeitskosten ein Geschäftsrisiko. Jeder dritte Industriebetrieb, der Investitionspläne im Ausland hat, nennt "Kostenersparnis" als Hauptmotiv dafür. "Das ist ein Weckruf, zügig die Rahmenbedingungen für Unternehmen hierzulande wieder zu verbessern", sagte Treier.

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) kommt zu einer anderen Bewertung. Die Daten zeigten, "dass die Wettbewerbsposition Deutschlands bei den Lohnkosten im vergangenen Jahr praktisch unverändert geblieben ist", sagte dessen wissenschaftlicher Direktor Sebastian Dullien. "Für das laufende Jahr ist mit einem etwas langsameren Anstieg der Arbeitskosten sowohl in Deutschland als auch in den anderen EU-Ländern zu rechnen." Damit sei für die deutsche Wettbewerbsposition keine große Veränderung zu erwarten.

Für die Europäische Zentralbank (EZB) ist die Entwicklung Arbeitskosten insbesondere der Löhne bei der Eindämmung der Inflation ein zentraler Faktor, den sie auf ihrem Weg hin zu einer ersten Zinssenkung aktuell besonders im Fokus hat. Laut EZB-Direktorin Isabel Schnabel ist das Lohnwachstum im Euroraum weiterhin relativ stark. Es schwäche sich aber mittlerweile allmählich ab, sagte sie auf einer Konferenz in Frankfurt.

Im deutschen Verarbeitenden Gewerbe - das sich besonders stark im internationalen Wettbewerb befindet - kostete eine Arbeitsstunde 46,00 Euro. Das sind rund 44 Prozent mehr als im EU-Schnitt (32,00 Euro). In diesem Sektor waren die Arbeitskosten im EU-Vergleich die vierthöchsten. Bei den privaten, marktbestimmten Dienstleistern lagen die deutschen Arbeitskosten bei 39,80 Euro pro Stunde. Das sind rund 25 Prozent mehr als der EU-Schnitt (31,80 Euro). Deutschland lag hier EU-weit auf dem siebten Rang.

Die Arbeitskosten setzen sich aus Bruttoverdiensten und Lohnnebenkosten zusammen. Zu den Erstgenannten zählen das Entgelt für geleistete Arbeitszeit, Sonderzahlungen, vermögenswirksame Leistungen, Vergütung für nicht gearbeitete Tage (etwa Urlaubs- oder Feiertage) sowie Sachleistungen. Die Lohnnebenkosten beinhalten etwa die Sozialbeiträge der Arbeitgeber, die Kosten der beruflichen Aus- und Weiterbildung und die Steuern zulasten des Arbeitgebers. Lohnsubventionen mindern die Arbeitskosten.

(Bericht von Rene Wagner; Mitarbeit Frank Siebelt; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)