München (Reuters) - Der Deutschen Bank droht nun doch eine milliardenschwere Nachzahlung an die ehemaligen Aktionäre der Postbank.

Das Oberlandesgericht Köln (OLG) habe am Freitag in einer mündlichen Verhandlung angedeutet, dass den Postbank-Aktionären bei der Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank vor 14 Jahren ein höherer Preis zugestanden haben könnte, teilte die größte deutsche Bank mit. Die Postbank-Aktionären maximal zustehende Summe belaufe sich einschließlich der rund 600 Millionen Euro seit 2010 aufgelaufenen Zinsen auf rund 1,3 Milliarden Euro. "In seinen Ausführungen deutete das Gericht an, dass es Teile dieser Ansprüche in einer späteren Entscheidung für begründet befinden könnte", hieß es in der Mitteilung der Deutschen Bank vom Freitag.

Die Bank will nun im zweiten Quartal eine Rückstellung in voller Höhe von 1,3 Milliarden Euro bilden, auch wenn der tatsächliche Betrag niedriger ausfallen könnte. Die Rückstellung entspricht in etwa dem Nettogewinn des ersten Quartals. Das Gericht habe Vergleichsverhandlungen angeregt, hieß es in einer Handreichung für Investoren vom Sonntag. Die Deutsche Bank werde prüfen, ob sie sich darauf einlasse. Man halte die Ansicht der Kläger aber "weiterhin nachdrücklich" für falsch. Bis 12. Juni haben die Bank und die Kläger Zeit, sich zu den Ausführungen es OLG zu äußern, am 21. August will das Gericht eine Entscheidung fällen, wenn sich die Parteien vorher nicht einigen.

Eine Abschreibung von 1,3 Milliarden Euro würde die harte Kernkapitalquote um 0,2 Prozentpunkte dezimieren. Ende März lag sie bei 13,45 Prozent. An den strategischen oder finanziellen Zielen ändere das nichts, erklärte die Bank. Auch die Dividende und der laufende Aktienrückkauf seien nicht in Gefahr.

Bisher hatte die Bank keine Rückstellung gebildet, nachdem die Kläger vor dem OLG zweimal gescheitert waren. Doch nun könnte sich das Blatt wenden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den Fall im Dezember 2022 erneut nach Köln zurückverwiesen.

Der Rechtsstreit um die Übernahme der Postbank schwelt seit mehr als einem Jahrzehnt. Die Deutsche Bank hatte die Privatkunden-Bank in mehreren Schritten von der Post erworben. 16 Postbank-Aktionäre - allen voran das Anlegermagazin "Effecten-Spiegel" - meinten, dabei zu kurz gekommen zu sein, und zogen vor Gericht. Sie hatten das Übernahmeangebot über 25 Euro je Aktie angenommen, wollen nun aber 57,25 Euro erstreiten.

Sie argumentieren, die Deutsche Bank hätte schon zwei Jahre vorher ein Pflichtangebot abgeben müssen, nachdem sie 29,75 Prozent an der Postbank von der Deutschen Post gekauft hatte - für 57,25 Euro je Aktie. Damit war sie bewusst unter der Marke von 30 Prozent geblieben, oberhalb der ein Pflichtangebot an alle Aktionäre fällig wird. Strittig ist aber, ob die Deutsche Bank durch ihre späteren Vereinbarungen mit der Post de facto nicht doch schon vor 2010 Zugriff auf deren verbliebenen Anteil hatte.

(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Birgit Mittwollen und Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)