Rede von

Armin Papperger

Vorsitzender des Vorstands der Rheinmetall AG

zur

Hauptversammlung 2024

am 14. Mai 2024

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie zur Hauptversammlung der Rheinmetall AG. Wir haben uns in diesen für uns alle so schwierigen Zeiten dazu entschieden, im aktuellen Jahr erneut ein virtuelles Format anzubieten. In diesem Rahmen können Sie, sehr geehrte Damen und Herren, Ihre Rechte als Aktionärinnen und Aktionäre im vollem Umfang wahrnehmen. Darüber freuen wir uns sehr.

Meine Damen und Herren,

wir leben in einer Zeit gravierender Umbrüche. Die regelbasierte internationale Ordnung ist erschüttert und großen Herausforderungen ausgesetzt. Die vielbeschworene "Zeitenwende" hat eine neue sicherheitspolitische Realität entstehen lassen, die weit über die Auswirkungen des imperialen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hinausgeht:

So war der gesamte Verlauf des Jahres 2023 geprägt von mannigfaltigen geopolitischen Krisen wie auch von geoökonomischen Unwägbarkeiten. Neben dem andauernden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, waren dies insbesondere der verbrecherische terroristische Angriff der Hamas auf Israel und der daraus entstehende militärische Konflikt, die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer, aber auch beispielsweise Risiken, die sich aus dem Verhalten Chinas

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gegenüber Taiwan und anderen Staaten im asiatisch-pazifischen Raum ergeben. All diese Entwicklungen und Krisen tragen zu einer Destabilisierung der internationalen Ordnung bei und sind Ausdruck für globale Machtverschiebungen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend fortsetzen und mit erheblichen Unsicherheiten für uns alle einhergehen wird. Nicht zuletzt spielt auch der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA in diesem Jahr eine entscheidende Rolle. Es zeichnet sich ab, dass Deutschland und Europa in Zukunft eine größere Verantwortung für die eigene Sicherheit und für die Verteidigung von Demokratie und Wohlstand übernehmen müssen als bisher. Alle diese Ereignisse markieren also eine umfassende Zeitenwende für die deutsche, europäische und auch die globale Sicherheitspolitik.

In Deutschland lautet die erklärte Zielsetzung, leistungsfähige, hochmoderne und fortschrittliche Streitkräfte aufzubauen, welche die Sicherheit unseres Landes und seiner Verbündeten wirkungsvoll und verlässlich herstellen bzw. bewahren können. Bundeskanzler Scholz hat dies in jüngster Vergangenheit mehrfach und mit großem Nachdruck unterstrichen. Eine konsequente Ausrichtung auf die Kernaufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung ist dabei unabdingbar, um im Bündnis als starkes Land in der Mitte Europas ein zuverlässiger Partner sein zu können. Hinter all dem steht die Erkenntnis, dass Sicherheit - auch militärische Sicherheit - die Grundlage für unser Leben in Frieden und Freiheit ist.

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Wir bei Rheinmetall sehen uns in der Verantwortung, in einer sich so dramatisch verändernden Welt unseren Beitrag zu leisten: Wir dienen unseren Kunden, wir dienen Deutschland und seinen Verbündeten, wir sind ein verlässlicher Partner der Streitkräfte und erbringen damit unseren Beitrag zur Verteidigung von Frieden und Freiheit. Als führender Ausrüster der Bundeswehr, als verlässlicher Lieferant für die NATO-Staaten und als größter industrieller Unterstützer der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression haben wir im Jahr 2023 in den Aufbau weiterer Kapazitäten investiert und nicht zuletzt damit ein Bekenntnis dafür abgelegt, dass wir bei Rheinmetall bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Diese Ethik des Handelns und der Verantwortung treibt uns - Manager und Mitarbeiter - gleichermaßen an.

Letztlich wird es insbesondere auf Rheinmetall als führendes Unternehmen der deutschen Verteidigungsindustrie und als europäisches Systemhaus mit Standorten in ganz Europa ankommen, wenn es darum geht, den dringenden Ausrüstungsbedarf der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte zu decken - sei es bei Munition, bei Kampffahrzeugen, bei militärischen LKW, bei digitalen Soldatensystemen oder bei der Flugabwehr. Die beschriebene Übernahme von Verantwortung speist sich aus einer intrinsischen Motivation, sie lässt sich aber auch quantifizieren: Wir als Rheinmetall haben im vergangenen Jahr alleine 1,2 MrdEUR in die Übernahme des spanischen Munitionsherstellers Expal Munitions investiert und wir investieren auch weiterhin erhebliche Mittel in den Ausbau

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unserer Kapazitäten - insgesamt bis zu 1,1 MrdEUR Capex. Zum 31.12.2023 hatten wir einen Lager- und Vorratsbestand in Höhe von 3,2 MrdEUR. Hier sind wir in Vorleistung getreten, um unseren Beitrag für die Sicherheit Deutschlands und Europas zu leisten.

Meine Damen und Herren,

gerne möchte ich - bevor ich Ihnen die Geschäftszahlen des vergangenen Jahres erläutere - noch auf einige wichtige Aufträge und Projekte in 2023 eingehen, die eine Idee davon vermitteln können, wie breit und zukunftsgerichtet unser Technologiekonzern aufgestellt ist.

Auch im Jahr 2023 hat Rheinmetall seine Leistungsfähigkeit als führender Ausrüster der Bundeswehr und verlässlicher Lieferant modernster Verteidigungstechnologie für Deutschland und seine Verbündeten eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Davon zeugen sowohl große Beschaffungsvorhaben in Deutschland als auch bedeutende Aufträge von befreundeten Staaten. Diese betrafen im vergangenen Geschäftsjahr insbesondere den Bereich Munition, wo in der gesamten Nato erhebliche Bedarfe bestehen.

So hat die Bundeswehr Mitte letzten Jahres nicht nur einen bestehenden Rahmenvertrag zur Lieferung von Panzermunition auf ein Volumen von rund 4 MrdEUR ausgeweitet und bis 2030 verlängert, sondern Ende 2023 erneut

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155mm-Artilleriemunition aus einem bestehenden Rahmenvertrag abgerufen, der mittlerweile bereits nahezu ausgeschöpft ist und der nun erweitert werden soll. Wie Sie alle wissen, ist der Bedarf an Munition, insbesondere Artilleriemunition, eine der größten sicherheitspolitischen Herausforderungen für die Ukraine, aber auch für Deutschland und alle verbündeten Nato-Staaten. Insbesondere die durch Hilfslieferungen an die Ukraine strapazierten Munitionslager müssen wieder aufgefüllt werden.

Um den gestiegenen deutschen Bedarf an Artilleriemunition zu decken und um auf diesem Feld nationale Versorgungssicherheit herzustellen, investieren wir nun in ein neues Werk für Artilleriemunition, Sprengstoff und Raketenartillerie in Unterlüß. Der Spatenstich für dieses neue "Werk Niedersachsen" fand im Februar dieses Jahres im Beisein des Bundeskanzlers und der Regierungschefin von Dänemark statt. Künftig sollen jährlich 200.000 Schuss Artilleriemunition und 1.900 Tonnen RDX-Sprengstoff hergestellt werden wie auch bis zu 3.000 Raketenmotoren und Gefechtsköpfe für geplante deutsche und europäische Raketenartillerie-Projekte.

Zur nachhaltigen Absicherung seines Kerngeschäfts im Bereich Waffen, Munition und Antriebe hat Rheinmetall im Jahr 2023 zudem eine bedeutende Akquisition abgeschlossen. So hat unser Unternehmen zum 1. August 2023 den Erwerb der spanischen Expal Systems S.A.U. vollzogen, einem weltweit renommierten

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Munitionshersteller. Damit sichert sich Rheinmetall angesichts einer dynamischen Marktsituation, die durch die weiter steigende Nachfrage nach militärischer Ausrüstung in vielen Ländern getrieben ist, einen schnellstmöglichen Zugriff auf signifikante zusätzliche Kapazitäten im Munitionsgeschäft. Auf diese Weise stellt sich Rheinmetall angesichts des absehbar großen Bedarfs bestmöglich für weitere Neuausschreibungen zur Munitionsbeschaffung auf.

Rheinmetall investiert derzeit weltweit in den Ausbau seiner Produktionskapazitäten. Bereits 2025 werden wir eine jährliche Kapazität von bis zu 700.000 Schuss im Kaliber 155mm-Artilleriegranaten erreichen. Hinzu kommen noch die geplanten neuen Produktionsstandorte in Deutschland, in der Ukraine und wie jüngst vereinbart in Litauen. Nach derzeitigem Planungsstand werden wir bis 2027 in der Lage sein, bis zu 1,1 Millionen Schuss 155mm- Artilleriemunition pro Jahr zu liefern. In der Ukraine hat Rheinmetall im Februar 2024 ein entsprechendes MoU zur Gründung eines Joint Ventures unterzeichnet.

Bereits im Dezember 2022 erfolgte die Grundsteinlegung für ein neues Rheinmetall-Werk zur Munitionsfertigung im ungarischen Várpalota. Die Produktion von 30mm-Mittelkalibermunition soll in diesem Jahr beginnen. Im Januar 2024 haben wir den Startschuss für den Baubeginn für eine Erweiterung des Werkes gegeben. Künftig wird die Produktpalette um zusätzliche

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Munitionstypen erweitert, vor allem 155mm-Artilleriemunition für die Panzerhaubitze 2000 und 120mm-Munition für die Kampfpanzer Leopard 2 und perspektivisch für den Panther KF51 Evo. Auch Sprengstoff, der neben Treibladung, die notwendige Schlüsseltechnologie für Munition darstellt, wird in Várpalota gefertigt werden.

Rheinmetall ist bereits seit Kriegsbeginn einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine: Im Rahmen der umfangreichen Hilfe für die Ukraine hat Rheinmetall seit dem ersten Quartal 2023 80 Schützenpanzer Marder an die Ukraine übergeben. Weitere 40 Marder werden zwischen Mai und September 2024 geliefert. Neben Schützenpanzern stellte Rheinmetall über Ringtausche und Direktlieferungen Kampfpanzer Leopard sowie weiterhin mobile Feldlazarette, LKW, Munition und viele weitere Produkte zur Verfügung. Rheinmetall unterstützt die Ukraine aber nicht nur über Lieferungen von Material, sondern wird sich künftig auch vor Ort engagieren. So wurde im Oktober 2023 ein erstes Joint Venture zwischen Rheinmetall und dem ukrainische Staatskonzern Ukrainian Defense Industry JSC gegründet. Ein Memorandum of Understanding für die Gründung eines zweiten Joint Venture, diesmal im Bereich Munition, wurde im laufenden Jahr unterzeichnet. Die Gründung eines dritten Joint Ventures für Air Defence ist geplant.

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Mit der "Luftgestützten Unbemannten Nahaufklärungsausstattung der nächsten Generation" (LUNA NG) wurde den ukrainischen Streitkräften im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland zudem ein System zur luftgestützten Aufklärung geliefert. Der erteilte Auftrag belief sich auf einen zweistelligen MioEUR-Wert. Rheinmetall leistete damit einen weiteren wichtigen Beitrag, um die Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte durch überlegene Technik zu verbessern. Das LUNA NG-System kann bereits mehrere tausend Flugstunden aufweisen und hat sich im Einsatz bei ausländischen Kunden bereits bewiesen.

In Kooperation mit seinen US-amerikanischen Partnern Northrop Grumman und Lockheed Martin hat Rheinmetall mit dem Bau einer hochmodernen Fabrik für die Rumpfmittelteile des Kampfflugzeugs F-35 Lightning II begonnen. Am

1. August 2023 erfolgte der symbolische erste Spatenstich auf dem Flughafengelände in Weeze. Die F-35 Lightning II ist das derzeit modernste Kampfflugzeug weltweit. Sie wird auch von der deutschen Luftwaffe aus dem Sondervermögen beschafft. Neben einer modernen Montagelinie wird die Einrichtung auch Logistik- und Lagerbereiche, Forschungs- und Erprobungszentren, Schulungsräume und die Qualitätskontrolle umfassen. In dem neuen Werk sollen mindestens 400 F-35-Rumpfmittelteile für die Luftwaffe und andere befreundete Nationen produziert werden. Dabei kann Rheinmetall seine Erfahrungen sowohl als integrierter Technologiekonzern bei der Fertigung

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komplexer Bauteile als auch als zertifizierter Luftfahrtbetrieb einbringen. Die Produktion wird im Jahr 2025 beginnen.

Zudem konnte Rheinmetall einen bemerkenswerten Erfolg in einem Schlüsselprojekt der US-amerikanischen Streitkräfte erzielen: American Rheinmetall Vehicles erhielt als Teil des Industrieteams "Team Lynx" den Auftrag für die Phase 3 und 4 des XM30-Programms der U.S. Army. Ziel des Programmes ist es, 4.000 Bradley Schützenpanzer zu ersetzen. Der Lynx OMFV ist ein neuartiges Infanteriekampffahrzeug mit überlegenem Schutz, hoher Durchschlagskraft, herausragender Mobilität und einer offenen Systemarchitektur. Allein der nun gesicherte Vertragswert der Phasen 3 und 4 für die serienreifen Prototypen beläuft sich auf über 700 MioUSD.

Außerdem haben American Rheinmetall Vehicles und GM Defense LLC den Zuschlag für die erste Phase des Common Tactical Truck (CTT)-Programms der U.S. Army erhalten. Ziel dieses Programms ist es, die Familie der schweren taktischen Lkw des US-Heeres durch die Fertigung von bis zu 40.000 Fahrzeugen der BU LOG mit einem Wert von bis zu 14 MrdUSD zu ersetzen.

Im Bereich der militärischen Fahrzeuge hat Rheinmetall im August 2023 außerdem seine neue Fabrik im ungarischen Zalaegerszeg eröffnet. Die Eröffnung dieser hochmodernen Produktionsstätte ist ein bedeutender Meilenstein für Rheinmetall und unterstreicht das Engagement des

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Rheinmetall AG published this content on 08 May 2024 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 08 May 2024 12:04:27 UTC.