Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Berichtssaison zum dritten Quartal neigt sich langsam dem Ende zu und die Phase der großen Kapitalmarktausblicke für das kommende Jahr beginnt. Dabei scheint sich ein verhaltener Optimismus einzustellen, wie von ersten Häusern zu hören ist. So rechnet die Helaba zum Ende des kommenden Jahres mit einem Anstieg des DAX auf 17.500 Punkte. Sie verweist auf die historisch günstige Bewertung des DAX und ergänzt, das erwartete Ende des Zinserhöhungszyklus dürfte die Bewertung nach oben treiben.

Eine Liquiditäts-Hausse im klassischen Sinn sollten Marktteilnehmer allerdings in diesem Zyklus ausnahmsweise nicht erwarten. Zwar werden die Notenbanken mit ziemlicher Sicherheit im Verlauf des kommenden Jahres zu Zinssenkungen übergehen. Ein Ende des Bilanzabbaus der Notenbanken wird es aber wohl nicht geben, geschweige denn eine neue Runde von Quantitative Easing. Das Geldmengenwachstum wird damit weiterhin im besten Fall vergleichsweise niedrig bleiben. Das dürfte aber dazu führen, dass Geld zwar billiger wird, die Liquidität an den Märkten aber nicht oder kaum zunimmt.

Damit wird neben der Liquidität ein weiterer Katalysator für eine höhere Bewertung notwendig sein, und der kann nur von einem Dreh der Gewinnschätzungen nach oben kommen. Dazu müsste sich wenigstens für 2025 ein deutlicher Konjunkturaufschwung abzeichnen. Dann dürften zum einen die Gewinnschätzungen steigen und zum anderen wegen der besseren Planbarkeit auch die Bewertung anziehen. 17.500 als Erwartung für den DAX wären in diesem Szenario zu wenig, denn selbst bei einem immer noch moderaten 13er KGV statt des aktuellen von 10 bis 11 sollte der DAX dann auch die 20.000er Marke testen. Dazu passt die Charttechnik: Wenn der DAX die schweren Widerstände bei 16.200 bis 16.500 nachhaltig überwinden sollte, wäre der Deckel derart gesprengt, dass bei einem Plus von 7 oder 8 Prozent voraussichtlich nicht Schluss wäre.


   Jahresendrally erst später - aber neue Tiefs wohl vom Tisch 

Kurzfristig dürfte der DAX aber weiterhin seitwärts festhängen. Der Bereich zwischen 15.450 und 15.600 ist eine harte Nuss, die es zu knacken gilt. Darüber würde der DAX in die alte Handelsspanne zwischen 15.450 und 16.500 zurückkehren. Dass das kurzfristig gelingt, ist nicht wahrscheinlich. Denn zunächst werden die Gewinnschätzungen sogar noch sinken, wie Anlagestratege Ulrich Stephan von der Deutschen Bank mit Blick auf die tendenziell eher enttäuschende Berichtssaison sagt. Die bisher veröffentlichten Gewinne und Umsätze hätten um knapp 15 und 9 Prozent unter denen des gleichen Vorjahreszeitraums gelegen und damit auch je 2 und 1 Prozent unter den Erwartungen. Zudem scheint der neue Trend zu sinkenden Renditen am langen Ende nun erst einmal eine Pause einzulegen.

Zwar setzen nun viele Marktteilnehmer auf eine Jahresendrally. Auch diese Hoffnungen könnten aber zunächst enttäuscht werden. Die Analysten von Sentix weisen darauf hin, dass in einem US-Vorwahljahr die Jahresendrallye verspätet beginnt. In dem so genannten Präsidentschaftszyklus gleiche sie eher einer Jahresanfangsrallye, in der zweiten Novemberhälfte sei dagegen nochmalige Schwäche wahrscheinlich. Allerdings deutet die technische Lage mit den Hausse-Tops des Index-Schwergewichts SAP und dem Verlassen der Abwärtstrends durch viele Einzelaktien auch keine Attacke auf der Unterseite mehr an. Neue Tiefs unter 14.600 scheinen vom Tisch zu sein.


   US-Preisdaten könnten Falken Auftrieb geben 

Aus dem DAX werden in der kommenden Woche noch RWE, die Porsche Holding sowie Siemens, Infineon und Siemens Energy neue Zahlen veröffentlichen. Auf der Makroseite stehen die US-Inflationsdaten im Blick. Sie dürften bei der US-Notenbank eher den Falken Auftrieb geben, heißt es bei der Commerzbank. Die Gesamtrate dürfte zwar im Oktober aufgrund niedrigerer Benzinpreise deutlich gefallen, die Kernrate mit einem Plus von 0,3 Prozent aber auf dem September-Niveau geblieben sein.

Auch aus Großbritannien werden neue Preisdaten erwartet. In den USA werden zudem Erzeugerpreise, Einzelhandelsumsätze, Zahlen zur Industrieproduktion, Daten zum Immobilienmarkt sowie der Konjunkturindex aus Philadelphia erwartet. Zahlen zur Industrieproduktion sowie den Einzelhandelsumsätzen gibt es auch aus China. In Deutschland wird am Montag der ZEW-Konjunkturindex veröffentlicht.

DJG/hru/cln

(END) Dow Jones Newswires

November 10, 2023 06:10 ET (11:10 GMT)