Zürich (Reuters) - Die Schweizerische Nationalbank (SNB) vollzieht überraschend eine geldpolitische Wende und senkt ihren Leitsatz.

Der SNB-Leitzins werde um 0,25 Prozentpunkte auf 1,50 Prozent gesenkt, teilte die Notenbank am Donnerstag mit. Die SNB ist damit die erste größere Zentralbank, die ihre straffe Geldpolitik zur Eindämmung der Inflation zurückfährt. "Die Lockerung der Geldpolitik wurde möglich, weil die Bekämpfung der Inflation über die letzten zweieinhalb Jahre wirksam war" erklärte die Notenbank. "Die Teuerung liegt nun seit einigen Monaten wieder unter zwei Prozent und somit im Bereich, den die Nationalbank mit Preisstabilität gleichsetzt." Und die Inflation dürfte der SNB zufolge auch über die nächsten Jahre in diesem Bereich bleiben. Die SNB will bei Bedarf weiterhin am Devisenmarkt intervenieren.

Von Reuters im Vorfeld der vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung der SNB befragte Ökonomen hatte mehrheitlich einen unveränderten Schlüsselzins prognostiziert. Ökonomen sahen das dreiköpfige SNB-Direktorium um den im Herbst scheidenden Notenbank-Präsident Thomas Jordan dank einer robusten Wirtschaftsentwicklung und der jüngsten Abwertung des Franken nicht unter Zugzwang bei den Zinsen.

Die US-Notenbank Fed hatte am Vortag an ihrem Kurs festgehalten: Sie beließ den Leitzins in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent und signalisiere zugleich, dass er dieses Jahr sinken dürfte - und zwar um 0,75 Prozentpunkte. Bei der Europäischen Zentralbank (EZB), die zuletzt ihren Leitzins unverändert ließ, mehren sich die Hinweise für eine Zinswende im Juni.

Der Druck auf die Notenbank, sich der Inflation entgegenzustemmen, hat zuletzt kontinuierlich abgenommen: Die Schweizer Jahresteuerung ist eine der niedrigsten unter den großen Volkswirtschaften und liegt bereits seit Mitte 2023 wieder im Zielbereich der SNB von null bis zwei Prozent. Und die Zentralbank hat die für ihre Zinsentscheidung maßgeblich Inflationsprognose nochmals kräftig gesenkt: Sie rechnet dieses Jahr nun mit 1,4 Prozent, nachdem sie im Dezember noch 1,9 Prozent veranschlagt hatte. 2025 dürften die Verbraucherpreise dann um 1,2 (bislang: 1,6) Prozent steigen und 2026 um 1,1 Prozent.

Die SNB geht dieses Jahr von einer Verlangsamung beim Wirtschaftswachstum auf rund 1,0 (bislang: 0,5 bis 1,0) Prozent aus. 2023 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) einer ersten Schätzung zufolge noch um 1,3 Prozent gestiegen.

Die SNB entscheidet in der Regel viermal jährlich über die Zinsen: Die nächste sogenannte geldpolitische Lagebeurteilung ist für 20. Juni anberaumt.

(Bericht von Paul Arnold und Oliver Hirt, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)