Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft wird dem Institut IWH zufolge sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr wegen Produktionsengpässen in der Industrie deutlich langsamer wachsen als bislang angenommen.

Das Bruttoinlandsprodukt dürfte 2021 nur um 2,2 Prozent zulegen, wie das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) am Dienstag vorhersagte. Im Juni war es noch von 3,9 Prozent ausgegangen. Engpässe beim Seetransport sowie Materialmangel verzögerten die Erholung von der Corona-Krise. "Für das Jahr 2022 stehen die Chancen aber gut, dass die Wirtschaft ihren Weg in die Normalität wieder aufnimmt, auch weil sich die Situation auf den Arbeitsmärkten stetig bessert", erklärte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller. Dennoch wurde die Wachstumsprognose für das kommende Jahr von 4,0 auf 3,6 Prozent gesenkt. 2020 war Europas größte Volkswirtschaft wegen der Corona-Krise um 4,6 Prozent geschrumpft.

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) rechnet ebenfalls mit erheblichen Behinderungen für die Industrie. Zwar seien Lieferengpässe als Begleiterscheinung des weltwirtschaftlichen Neustarts nach der Corona-Krise 2020 grundsätzlich ein vorübergehendes Problem. Doch könnten sich die Engpässe auch noch in der ersten Jahreshälfte 2022 dämpfend auf die Produktion auswirken. "Der Aufschwung bleibt intakt, aber die Bäume wachsen nicht in den Himmel", sagte IMK-Forscher Thomas Theobald.

Das IWH warnt vor anhaltenden Gefahren für den Aufschwung. Risiken ergäben sich daraus, "dass das deutsche Verarbeitende Gewerbe in besonderem Maß in internationale Produktionsketten eingebunden und deshalb von den derzeitigen Störungen der Produktionsketten besonders betroffen ist", betonten die Forscher angesichts des Mangels an Halbleitern und vielen anderen Vorprodukten, worunter etwa die Autobauer leiden. "Ferner ist nicht auszuschließen, dass durch neue Mutationen des Coronavirus Eindämmungsmaßnahmen notwendig werden könnten, die auch den wirtschaftlichen Erholungsprozess erneut verzögern."

Für das laufende Jahr wird eine Inflationsrate von 2,9 Prozent erwartet, die 2022 auf 2,6 Prozent und 2023 auf 1,7 Prozent fallen soll. Im August waren die Verbraucherpreise mit 3,9 Prozent so stark gestiegen wie seit 1993 nicht mehr. "Auch in den nächsten Monaten dürfte die Inflation weiter kräftig sein, da die CO2-Preise zu Beginn des Jahres 2022 weiter verteuert werden, die aktuellen Verknappungen auf den internationalen Märkten wohl nur langsam zurückgehen werden und der Mindestlohn kräftig erhöht wird", so die Experten.