Mediengespräch

Sperrfrist

15. Dezember 2022,

10.00 Uhr

Einleitende Bemerkungen von Thomas Jordan

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich begrüsse Sie herzlich zum Mediengespräch der Schweizerischen Nationalbank. Ich heisse ebenfalls alle willkommen, die unser heutiges Mediengespräch über das Internet verfolgen. Nach unseren einleitenden Ausführungen steht das Direktorium den Journalistinnen und Journalisten wie üblich für Fragen zur Verfügung.

Geldpolitischer Entscheid

Ich beginne mit unserem geldpolitischen Entscheid. Wir haben beschlossen, die Geldpolitik weiter zu straffen und den SNB-Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 1,0% zu erhöhen. Damit wirken wir dem erhöhten Inflationsdruck und einer weiteren Verbreiterung der Teuerung entgegen. Es ist nicht auszuschliessen, dass zusätzliche Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten. Um für angemessene monetäre Bedingungen zu sorgen, sind wir zudem bereit, bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv zu sein.

Die Zinsänderung gilt ab morgen, 16. Dezember 2022. Sichtguthaben der Banken bei der SNB werden bis zu einer bestimmten Limite zum SNB-Leitzins von 1,0% verzinst. Guthaben oberhalb dieser Limite werden zu 0,5% verzinst. Damit gilt für solche Sichtguthaben weiterhin ein Zinsabschlag von 0,5 Prozentpunkten relativ zum SNB-Leitzins. Mit dieser abgestuften Verzinsung der Sichtguthaben und mit Offenmarktoperationen stellen wir sicher, dass die kurzfristigen besicherten Geldmarktzinsen nahe beim SNB-Leitzins liegen. Andréa Maechler wird nachher vertieft auf die Umsetzung unserer Geldpolitik eingehen.

Inflationsprognose

Lassen Sie mich nun die Inflationsentwicklung erläutern. Die Inflation ist über die letzten Monate etwas zurückgekommen und lag im November bei 3,0%. Dieser Rückgang war vor

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Bern, 15. Dezember 2022

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allem auf eine geringere Teuerung bei Erdölprodukten zurückzuführen. Die Inflation bewegt sich aber weiterhin deutlich oberhalb des Bereichs, den wir mit Preisstabilität gleichsetzen. Die Teuerung dürfte vorerst erhöht bleiben.

Unsere neue bedingte Inflationsprognose beruht auf der Annahme, dass der SNB-Leitzins über den gesamten Prognosezeitraum 1,0% beträgt (Grafik 1). Bis Anfang 2023 befindet sich die Prognose aufgrund des etwas tieferen Erdölpreises unterhalb derjenigen vom September. Ab Mitte 2023 ist die neue Prognose höher und liegt am Ende des Prognosezeitraums bei 2,1%. Der stärkere inflationäre Druck aus dem Ausland und die Verbreiterung der Preiserhöhungen über die verschiedenen Güterkategorien im Konsumentenpreisindex führen dazu, dass unsere neue Prognose trotz der Anhebung des SNB-Leitzinses mittelfristig höher ausfällt. Gemäss neuer Prognose beträgt die Inflation nun im Jahresdurchschnitt 2,9% für 2022, 2,4% für 2023 und 1,8% für 2024 (Tabelle 1). Ohne die heutige Zinserhöhung wäre die Inflationsprognose in der mittleren Frist noch höher.

Internationale Wirtschaftsaussichten

Ich komme zu den Wirtschaftsaussichten. Die globale Wachstumsdynamik hat sich weiter verlangsamt. Gleichzeitig liegt die Inflation in vielen Ländern merklich über den Zielwerten der Zentralbanken. Entsprechend haben zahlreiche Zentralbanken ihre Geldpolitik weiter gestrafft.

Wir erwarten in unserem Basisszenario für die Weltwirtschaft, dass diese herausfordernde Situation vorerst bestehen bleibt. So dürfte das globale Wirtschaftswachstum in den kommenden Quartalen schwach ausfallen, und die Inflation wird vorläufig erhöht bleiben. Mittelfristig sollte die Inflation im Ausland aber wieder auf moderatere Niveaus zurückkehren, nicht zuletzt aufgrund der vielerorts zunehmend strafferen Geldpolitik.

Unser Szenario für die Weltwirtschaft unterliegt bedeutenden Risiken. So könnte sich die Energiesituation in Europa abermals verschärfen. Gleichzeitig könnte sich die hohe Inflation verfestigen und nochmals stärkere geldpolitische Reaktionen im Ausland erfordern. Schliesslich bleibt die Corona-Pandemie eine wichtige Risikoquelle für die Weltwirtschaft.

Wirtschaftsaussichten für die Schweiz

Wie sehen die Wirtschaftsaussichten für die Schweiz aus? Das BIP nahm im dritten Quartal annualisiert um 1,0% zu. Damit blieb die Wirtschaftsdynamik ähnlich verhalten wie in den Vorquartalen. Während sich viele Dienstleistungsbranchen günstig entwickelten, ging die Wertschöpfung in der Industrie erneut leicht zurück.

Am Arbeitsmarkt blieb die Lage positiv. Die Beschäftigung wuchs weiter, und die Arbeitslosigkeit nahm nochmals leicht ab. Die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten waren bis zuletzt gut ausgelastet.

Das BIP der Schweiz dürfte dieses Jahr um rund 2,0% wachsen. Die schwächere Nachfrage aus dem Ausland und die hohen Energiepreise dürften jedoch die Wirtschaftsaktivität im

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kommenden Jahr merklich dämpfen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir für 2023 ein BIP- Wachstum von rund 0,5%.

Wie für das Ausland unterliegt auch unsere Prognose für die Schweiz grosser Unsicherheit. Negativ auswirken würden sich insbesondere ein starker konjunktureller Einbruch im Ausland oder eine ausgeprägte Energieknappheit im Inland.

Geldpolitischer Ausblick

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf die Geldpolitik zurückkommen.

Die Inflation ist seit August etwas zurückgegangen. Diese Entwicklung ist zwar erfreulich; für eine Entwarnung ist es jedoch zu früh. Vielmehr ist der zugrundeliegende Inflationsdruck - auch wegen der hohen Inflation im Ausland - nochmals angestiegen. In diesem Umfeld besteht die Gefahr, dass die Inflation in der Schweiz aufgrund von Zweitrundeneffekten mittelfristig erhöht bleiben könnte. Die erneute Straffung unserer Geldpolitik ist daher notwendig, um sicherzustellen, dass die Inflation in der mittleren Frist in den Bereich der Preisstabilität zurückkehrt. Es ist nicht auszuschliessen, dass weitere Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität zu gewährleisten.

Abschliessend möchte ich noch auf die Wechselkursentwicklung und unsere Aktivität am Devisenmarkt eingehen. Seit Anfang Jahr hat der Franken auf handelsgewichteter Basis rund 4% an Wert gewonnen. Diese Aufwertung hat geholfen, weniger Inflation aus dem Ausland zu importieren und so den Anstieg der Inflation zu bremsen.

An den Lagebeurteilungen im Juni und im September hatten wir darauf hingewiesen, dass wir je nach Entwicklung des Wechselkurses auch Devisenverkäufe erwägen würden. Entsprechend haben wir in den letzten Monaten Devisen verkauft, um angemessene monetäre Bedingungen zu gewährleisten. Auch in Zukunft werden wir Devisen verkaufen, wenn dies geldpolitisch angezeigt ist. Umgekehrt sind wir auch weiterhin bereit, bei Bedarf, also bei übermässigem Aufwertungsdruck, wieder Devisen zu kaufen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und übergebe das Wort nun an Martin Schlegel, der über aktuelle Entwicklungen beim Bargeld sprechen wird.

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SNB - Swiss National Bank published this content on 15 December 2022 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 15 December 2022 11:57:09 UTC.