Mediengespräch

Sperrfrist

23. März 2023, 10.00 Uhr

Einleitende Bemerkungen des Direktoriums

Thomas Jordan, Martin Schlegel und Andréa M. Maechler

Präsident des Direktoriums / Vizepräsident des Direktoriums / Mitglied des Direktoriums Schweizerische Nationalbank

Zürich, 23. März 2023

© Schweizerische Nationalbank

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Zürich, 23. März 2023

Thomas Jordan, Martin Schlegel und

Andréa M. Maechler

Mediengespräch

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich begrüsse Sie herzlich zum Mediengespräch der Schweizerischen Nationalbank. Nach unseren einleitenden Ausführungen stehen wir den Journalistinnen und Journalisten wie üblich für Fragen zur Verfügung.

Beitrag zur Finanzstabilität

Die Gewährleistung der Preisstabilität ist und bleibt das zentrale Ziel der Schweizerischen Nationalbank. Unsere geldpolitische Lagebeurteilung fand in einer ausserordentlichen Situation statt. Letzte Woche kam es zu einem Vertrauensverlust in die Credit Suisse. Um Schaden von der Schweiz abzuwenden, haben die Behörden am Sonntag weitreichende Massnahmen zur Wahrung der Finanzstabilität beschlossen. Die Nationalbank hat im Rahmen ihres Mandats ihren Beitrag zu dieser Lösung geleistet. Gerne möchte ich Ihnen unseren Beitrag näher beschreiben und darlegen, weshalb er nötig war.

Wegen den Verwerfungen in der US-Bankenbranche verschärfte sich vergangene Woche die internationale Vertrauenskrise rasant. Dies hatte ab Mittwoch unmittelbare Auswirkungen auf die Liquiditätssituation der Credit Suisse, da es zu starken Abflüssen von Kundengeldern und Kürzungen von Gegenparteilimiten kam. Die Nationalbank lieh der Credit Suisse daraufhin in grossem Volumen Liquidität in Franken und in Fremdwährungen aus. Die weitreichende Liquiditätshilfe verschaffte die nötige Zeit, eine Lösung zur Wahrung der Finanzstabilität zu finden. Diese Lösung musste unter hohem Zeitdruck erarbeitet werden, um vor Marktöffnung in Asien in dieser Woche bereit zu sein. Ein Konkurs der Credit Suisse hätte schwerwiegende Folgen für die nationale und internationale Finanzstabilität und für die Schweizer Wirtschaft gehabt. Dies zu riskieren, wäre verantwortungslos gewesen.

Am Sonntag wurde dann die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS bekanntgegeben. Wir haben zu diesem Zeitpunkt angekündigt, dass die Nationalbank zusätzliche umfangreiche Liquidität in Form von Darlehen zur Verfügung stellen würde, um eine erfolgreiche Umsetzung der Übernahme zu unterstützen.

Die Nationalbank gewährt solche Liquiditätshilfen im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe, zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen. In ausserordentlichen Situationen stellen wir als Kreditgeberin der letzten Instanz Notfallliquidität gegen ausreichende Sicherheiten zur Verfügung. Die Solvenz der Bank muss jeweils durch die FINMA bestätigt werden. Lassen Sie mich eines hier ganz deutlich betonen: Unsere Liquiditätsmassnahmen sind Kredite, die besichert sind und verzinst werden, und keine Geschenke. Mit ihren Massnahmen haben Bund, FINMA und Nationalbank der Krise um die Credit Suisse Einhalt geboten. Martin Schlegel wird Ihnen in ein paar Minuten die Ausgestaltung der Liquiditätshilfe-Darlehen im Detail erläutern. Andréa Maechler wird anschliessend auf unsere Zusammenarbeit der letzten Tage mit anderen Zentralbanken eingehen. Sie wird Ihnen ausserdem kurz die Auswirkungen der Liquiditätsmassnahmen auf die Umsetzung unserer Geldpolitik erläutern.

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Andréa M. Maechler

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Geldpolitischer Entscheid

Ich komme nun zum geldpolitischen Entscheid. Wir haben beschlossen, die Geldpolitik weiter zu straffen und den SNB-Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 1,5% zu erhöhen. Damit wirken wir dem nochmals gestiegenen Inflationsdruck entgegen. Es ist nicht auszuschliessen, dass zusätzliche Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten. Um für angemessene monetäre Bedingungen zu sorgen, sind wir zudem weiterhin bereit, bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv zu sein. Seit einigen Quartalen stehen dabei Devisenverkäufe im Vordergrund.

Die Zinsänderung gilt ab morgen, 24. März 2023. Sichtguthaben der Banken bei der SNB werden bis zu einer bestimmten Limite zum SNB-Leitzinsvon 1,5% verzinst. Guthaben oberhalb dieser Limite werden zu 1,0% verzinst. Damit gilt für solche Sichtguthaben weiterhin ein Zinsabschlag von 0,5 Prozentpunkten relativ zum SNB-Leitzins.

Inflationsprognose

Lassen Sie mich nun die aktuelle Inflationsentwicklung erläutern. Die Inflation ist seit Jahresbeginn wieder angestiegen und betrug im Februar 3,4%. Sie liegt damit weiterhin deutlich oberhalb des Bereichs, den die SNB mit Preisstabilität gleichsetzt. Der jüngste Inflationsanstieg ist vor allem auf höhere Preise für Strom, Tourismusdienstleistungen und Nahrungsmittel zurückzuführen. Allerdings finden inzwischen Preiserhöhungen auch auf breiter Basis statt.

Unsere neue bedingte Inflationsprognose beruht auf der Annahme, dass der SNB-Leitzins über den gesamten Prognosezeitraum 1,5% beträgt (Grafik 1). Die stärkeren Zweitrundeneffekte und der nochmals grössere inflationäre Druck aus dem Ausland führen dazu, dass die neue Prognose bis Mitte 2025 trotz Anhebung des SNB-Leitzinses höher ausfällt als noch im Dezember. Gemäss neuer Prognose beträgt die Inflation nun im Jahresdurchschnitt 2,6% für 2023 und 2,0% für 2024 und 2025 (Tabelle 1). Ohne die heutige Zinserhöhung wäre die Inflationsprognose in der mittleren Frist noch höher. Die Unsicherheit bezüglich der weiteren Preisentwicklung bleibt hoch, wobei vor allem das Risiko einer Verfestigung der erhöhten Inflation besteht.

Internationale Wirtschaftsaussichten

Was sind die Wirtschaftsaussichten? Die Weltwirtschaft wuchs im vierten Quartal kaum. Dennoch dürfte das Winterhalbjahr insgesamt etwas weniger schwach ausfallen als noch im Dezember erwartet. Die Inflation liegt gegenwärtig in vielen Ländern deutlich über den Zielwerten der Zentralbanken. Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche Zentralbanken ihre Geldpolitik weiter gestrafft.

Die Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft über die kommenden Quartale bleiben verhalten. Gleichzeitig dürfte die Inflation global vorläufig erhöht bleiben. Mittelfristig sollte sie aber wieder auf moderatere Niveaus zurückkehren, nicht zuletzt dank der Geldpolitik und wegen der konjunkturellen Abkühlung. Unser Szenario für die Weltwirtschaft unterliegt

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bedeutenden Risiken, insbesondere aufgrund der jüngsten Verwerfungen im globalen Finanzsektor.

Wirtschaftsaussichten für die Schweiz

Ich komme zu den Wirtschaftsaussichten für die Schweiz. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im vierten Quartal. Im Gesamtjahr 2022 wuchs das BIP um 2,1%. Der Arbeitsmarkt blieb robust, und die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten waren bis zuletzt gut ausgelastet.

Trotz leichter Belebung der Wirtschaftsaktivität in den letzten Monaten dürfte das Wachstum im weiteren Jahresverlauf bescheiden bleiben. Dämpfend wirken die verhaltene Nachfrage aus dem Ausland und die teuerungsbedingten Kaufkraftverluste. Insgesamt dürfte das schweizerische BIP dieses Jahr um rund 1% zunehmen.

Wie für das Ausland unterliegt auch die Prognose für die Schweiz grosser Unsicherheit. In der kurzen Frist sind die Hauptrisiken ein konjunktureller Einbruch im Ausland sowie negative Auswirkungen von Verwerfungen im globalen Finanzsektor.

Geldpolitischer Ausblick

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf unsere Geldpolitik zurückkommen.

Die Inflation liegt aktuell höher, als wir es noch im Dezember erwartet hatten, und der Inflationsdruck ist auch aufgrund von Zweitrundeneffekten nochmals angestiegen. Die erneute Zinserhöhung ist daher notwendig, um sicherzustellen, dass die Inflation in der mittleren Frist in den Bereich der Preisstabilität zurückkehrt. Es ist nicht auszuschliessen, dass eine weitere Straffung der Geldpolitik nötig sein wird, um die Preisstabilität zu gewährleisten.

Seit einigen Quartalen weisen wir darauf hin, dass wir zur Sicherstellung von angemessenen monetären Bedingungen neben Zinserhöhungen auch Devisenverkäufe erwägen. Im vierten Quartal 2022 haben wir zu diesem Zweck Devisen im Wert von rund 27 Mrd. Franken verkauft. Devisenverkäufe tragen zusammen mit der Anhebung des SNB-Leitzinses zur Straffung der Geldpolitik bei. Sie helfen, die importierte Inflation zu dämpfen.

Wir werden auch in Zukunft Devisen verkaufen, wenn dies geldpolitisch angezeigt ist. Die Inflationsentwicklung und damit auch der Ausblick für die Geldpolitik unterliegen aktuell allerdings einer hohen Unsicherheit, und so sind wir umgekehrt auch weiterhin bereit, bei Bedarf, also bei übermässigem Aufwertungsdruck auf den Franken, Devisen zu kaufen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich übergebe das Wort an Martin Schlegel.

Liquiditätshilfe-Darlehen

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich erklären, wie die SNB der Credit Suisse und der UBS Liquidität zur Verfügung stellt. Die Liquidität wird in drei Stufen vergeben.

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Andréa M. Maechler

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Erstens haben beide Banken uneingeschränkten Zugang zu den seit langem bestehenden Fazilitäten der SNB. Dabei können die Banken im Rahmen der sogenannten Engpassfinanzierungsfazilität (EFF) Liquidität gegen qualitativ hochwertige Wertschriften beziehen. Diese dient zur kurzfristigen Überbrückung von unerwarteten Liquiditätsengpässen. Ausserdem gewährt die Nationalbank ausserordentliche Liquiditätshilfe (ELA). Bei ELA- Darlehen werden als Sicherheiten Schweizer Hypotheken an die Nationalbank übertragen oder Wertschriften verpfändet.

Zweitens haben die Credit Suisse und UBS Zugang zu zusätzlicher Liquiditätshilfe (ELA+). Diese Möglichkeit wurde am 16. März 2023 basierend auf einer Notverordnung des Bundesrats geschaffen. Die Notverordnung ermöglicht ausserordentliche Liquiditätshilfe von insgesamt bis zu 100 Mrd. Franken ohne Einlieferung von Sicherheiten. Die Forderung ist jedoch mit einem Konkursprivileg gesichert. Das Konkursprivileg bedeutet, dass in einem Konkursfall die Forderung der SNB mit hoher Priorität zurückbezahlt würde. Nur wenige andere Forderungen haben gegenüber dem Darlehen der SNB Vorrang, beispielsweise Löhne oder die unter dem Einlegerschutz gesicherten Einlagen.

Drittens steht der Credit Suisse im Rahmen eines so genannten Public Liquidity Backstops (PLB) Liquiditätshilfe in der Höhe von bis zu 100 Mrd. Franken zur Verfügung. Auch diese Möglichkeit wurde vom Bundesrat am 16. März 2023 basierend auf einer Notverordnung geschaffen. Diese Liquiditätshilfe der SNB verfügt ebenfalls über ein Konkursprivileg. Die Forderung ist zusätzlich durch eine Bundesgarantie gesichert.

Ich übergebe nun an Andréa Maechler.

Umsetzung der Geldpolitik und internationale Zusammenarbeit

Meine Damen und Herren, die Anspannung an den Finanzmärkten hat seit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank markant zugenommen. In Zeiten von erhöhter Unsicherheit ist US-Dollar-Liquidität besonders gesucht. In einer koordinierten Aktion mit fünf anderen Zentralbanken haben wir deshalb am Sonntagabend angekündigt, die Versorgung von US-Dollar-Liquidität über die bestehenden US-Dollar-Swapabkommen zu stärken. Die Banken können im Bedarfsfall US-Dollar-Liquidität bei ihren Zentralbanken nun in erhöhter Frequenz beziehen. Dazu führen wir seit dem 20. März und bis mindestens Ende April 2023 unsere US-Dollar-Repoauktionen täglich statt wöchentlich durch. Durch ihre Kooperation erreichen die beteiligten Zentralbanken, dass sich die US-Dollar-Liquidität im System verteilt, und tragen so gemeinsam zur Sicherung der globalen Finanzstabilität bei.

Ich komme nun zur Umsetzung unserer Geldpolitik am Geldmarkt. Die Sichtguthaben der Banken und die Liquidität am Frankengeldmarkt erhöhen sich durch unsere Liquiditätshilfen. Um sicherzustellen, dass die kurzfristigen besicherten Geldmarktzinsen nahe am SNB- Leitzins bleiben und nicht absinken, schöpfen wir ausreichend Sichtguthaben mit der wöchentlichen Emission von SNB Bills sowie mit der täglichen Durchführung von Repoauktionen ab. Zudem sind wir punktuell auch mit Overnight-Repogeschäften aktiv.

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SNB - Swiss National Bank published this content on 23 March 2023 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 23 March 2023 09:12:03 UTC.