--IWF sieht Weltwirtschaftswachstum 2024 und 2025 bei je 3,2 Prozent

--US-Wachstumsprognosen werden erneut angehoben, deutsche gesenkt

--Wachstums- und Inflationsprognosen weitgehend ausgewogen

--Welthandel wächst langsamer - Fragmentierung in Blöcke

--EZB muss zu starkes Absinken der Inflation vermeiden

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Prognosen für das Wachstum der Weltwirtschaft nahezu unverändert gelassen. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Weltwirtschaftsausblick hervorgeht, rechnet er aber mit einem weniger starken Wachstum des Welthandels und einer restriktiveren Fiskalpolitik, der eine beginnende geldpolitische Lockerung in den Industrieländern entgegenwirken dürfte. Der IWF erwartet, dass das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 um 3,2 Prozent steigen wird, nachdem er in seinem im Januar veröffentlichten Update ein Plus von 3,1 Prozent prognostiziert hatte. Für 2025 werden unverändert 3,2 Prozent Wachstum erwartet.

"Das Wachstumstempo wird gemessen an historischen Maßstäben niedrig bleiben, weil es von Faktoren wie den langfristigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, Russlands Überfall auf die Ukraine, einem schwachen Produktivitätswachstum und einer zunehmenden geoökonomischem Fragmentierung gebremst wird", schreibt der IWF.

Seine Prognosen für das Wachstum des Welthandels hat er auf 3,0 (3,3) und 3,3 (3,6) Prozent gesenkt, und im gleich Umfang nahm er auch die deutsche BIP-Wachstumsprognosen zurück: auf 0,2 (0,5) und 1,3 (1,6) Prozent. Für den Euroraum werden Zuwachsraten von 0,8 (0,9) und 1,5 (1,7) Prozent prognostiziert, für Frankreich 0,7 (1,0) und 1,4 (1,7) Prozent, für Italien 0,7 (0,7) und 0,7 (1,1) Prozent und für Spanien 1,9 (1,5) und 2,1 (2,1) Prozent. Im Durchschnitt des Euroraums wird das Wachstum vor allem vom anhaltend schwachen Verbrauchervertrauen belastet.


   US-Prognosen werden erneut angehoben 

Wachstumsmotor der Weltwirtschaft bleiben die USA, für die Wachstumsraten von 2,7 (2,1) und 1,9 (1,7) Prozent vorausgesagt werden. Chinas Wachstumsprognosen wurden mit 4,6 und 4,1 Prozent bestätigt und Japans mit 0,9 (0,9) und 1,0 (0,8) Prozent angegeben. An den Prognosen großer Schwellenländer wie Brasilien, Mexiko oder Indien änderte sich per Saldo nicht viel. Russlands BIP-Prognosen wurden wie üblich deutlich nach oben revidiert - auf 3,2 (2,6) und 1,8 (1,1) Prozent.

Insgesamt ist die Weltwirtschaft 2022 und 2023 laut IWF um 6,7 Prozent gewachsen - 0,6 Prozentpunkte mehr als von IWF selbst im Herbst 2022 vorausgesagt. Die Organisation erklärt das in ihrem aktuellen Bericht hauptsächlich mit der Entwicklung in den USA und einigen Schwellenländern, wo wegen der robusten Arbeitsmärkte und sinkender Inflationsraten der Konsum positiv überrascht habe. Auch sie die Fiskalpolitik insgesamt expansiver als erwartet gewesen.

Der deutliche Inflationsrückgang habe nicht nur mit dem Schwinden des Energiepreisschocks, sondern auch mit der nachfragebremsende Wirkung der Geldpolitik zu tun gehabt. Allerdings bremste die Geldpolitik die Wirtschaft nicht so stark, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre.


   Zentralbanken schoben das Wachstum anfänglich noch an 

Der IWF schreibt hierzu: "Allen Befürchtungen zum Trotz führte der starke Zinsanstieg aus verschiedenen Gründen nicht zu einem globalen Wirtschaftsabschwung. Der erste Grund war, dass einige Zentralbanken - unter ihnen die Europäische Zentralbank (EZB) und die Federal Reserve - ihre nominalen Zinsen anhoben, nachdem die Inflationserwartungen gestiegen waren. Das führte zu sinkenden Realzinsen, die das Wachstum anfänglich noch anschoben." In Japan sanken die Realzinsen stetig, während sie in einigen großen Schwellenländern anzogen.

Als weiteren Grund für das unerwartet robuste Wachstum nannte der IWF die in der Corona-Zeit in den Industrieländern gebildeten Ersparnisse, die später aufgelöst worden seien. Der IWF rechnet damit, dass die US-Notenbank ihrem Leitzinsen bis Jahresende auf 4,6 (derzeit: 5,4) Prozent gesenkt haben wird, die Bank of England auf 4,8 (5,3) Prozent und die EZB auf 3,3 (4,0) Prozent. Dagegen ist für die Bank of Japan ein gradueller Anstieg vorgesehen.


   EZB muss zu starkes Absinken der Inflation vermeiden 

Mit Blick auf die EZB heißt es: "Die Europäische Zentralbank muss ihre geldpolitische Wende klug planen, um ein zu starkes Absinken der Inflation zu verhindern." Zwar erschienen die Arbeitsmärkte stark, doch könnte sich diese Stärke als illusorisch erweisen, wenn die europäischen Unternehmen in Erwartung einer am Ende ausbleibenden Konjunkturbelebung Arbeitskräfte gehortet haben sollten.

Die Risiken für den Wachstumsausblick sind nach Angaben des IWF weitgehend ausgewogen, nachdem im Oktober 2023 die Abwärtsrisiken noch deutlich überwogen hatten. Auch die Inflationsrisiken werden nun als weitgehend ausgewogen bezeichnet. Die vom IWF angedeutet geopolitische Fragmentierung lässt sich bereits in Daten ablesen. Der Handel zwischen "westlichen" Ländern und China, Russland und jenen Ländern, die Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 in der UN nicht verurteilten, hat sich um 2,4 Prozentpunkte mehr verlangsamt als der Handel zwischen Ländern des gleichen Blocks.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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April 16, 2024 09:00 ET (13:00 GMT)