FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Rezessionsängste halten die Märkte weiter in Schach, doch es gibt auch Hoffnung auf Bodenbildung. Anlass bietet ausgerechnet China - und auch die fundamentale Bewertung von Aktien. Nur das Chartbild bleibt schwierig.

4. Juli 2022 Frankfurt (Börse Frankfurt). Nach einem miserablen ersten Halbjahr mit einem Minus von 19 Prozent ist der DAX mit leichten Gewinnen in das zweite Halbjahr gestartet. Am Montagmorgen liegt der Index bei 12.900 Punkten und damit über dem Schlussstand von Freitag und klar über den 12.618 Punkten vom Donnerstag, dem letzten Juni-Tag.

Die Vorgaben von den US-Börsen sind gut: Die Wall Street ist am Freitag mit klaren Gewinnen in das lange Wochenende gegangen. Am heutigen Montag feiern die Amerikaner den Independence Day, die Märkte bleiben geschlossen. "Der 246. Independence Day dürfte uns einen ruhigen Wochenstart bescheren", glaubt die Deutsche Bank.

"Aktien fundamental wieder attraktiv"

"Die leichten Wochengewinne sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Halbjahresbilanz bei Aktien verheerend ausgefallen ist", kommentiert Claudia Windt von der Helaba. Beim S&P 500 summiere sich der Verlust sogar auf über 20 Prozent. "Das war seit 1970 nicht mehr der Fall." Windt zufolge gibt es aktuell zwar noch wenig Hoffnung auf Besserung, doch hätten Aktien wie auch Renten bereits einen weiten Weg zurückgelegt. "Immerhin deuten die jüngsten Daten aus China auf eine Erholung der Konjunktur hin. Das Hochfahren aus dem Lockdown dürfte die Weltwirtschaft stützen."

Wie Windts Kollege Ralf Umlauf bemerkt, sind Aktien aus fundamentaler Sicht allmählich wieder attraktiv bewertet. "Es bleibt aber offen, wann sich dieser Umstand in Kaufinteresse niederschlägt." Derzeit dominiere der Pessimismus. "Kursgewinne sind Korrekturen eines intakten Abwärtsimpulses."

Schwacher Euro, starke Unternehmensgewinne

Doch es gibt weitere positive Aspekte: Viele exportorientierte deutsche Unternehmen hätten im zweiten Quartal - noch stärker als im ersten - vom schwächeren Euro profitiert, wie Commerzbank-Analyst Markus Wallner erläutert. "Dies sollte sich insbesondere bei exportorientierten DAX-Unternehmen wie BASF, BMW, Daimler und Infineon positiv auf die Ergebnisse auswirken." Die höheren Produktionskosten, etwa für Energie, könnten damit zumindest teilweise ausgeglichen werden.

"Chart- und markttechnische Abwärtstrend weiter vorherrschend"

Charttechnisch sieht es allerdings nicht gut aus: "Wird das letzte Tief von 12.618 Punkten unterschritten, steht charttechnisch einem Test des Jahrestiefs bei 12.438 nichts mehr im Wege", erklärt Helaba-Analyst Umlauf. Erste Widerstände seien bei 12.946 und um 13.000 Zähler zu finden.

Laut Martin Utschneider von Donner & Reuschel haben sich die bereits Ende Mai und Anfang Juni gezeigten Schwächesignale mit dem Unterschreiten der Support-

Linie bei 13.025 Zählern deutlich fortgesetzt. "Der chart- und markttechnische Abwärtstrend bleibt weiter vorherrschend." Die kurzfristige Bärenmarkt-Rally habe sich in eine schulbuchmäßige Abwärtstendenz gewandelt. "Nach heutigem Stand müsste der deutsche Leitindex schon die 13.444 überhandeln, um diesen kurzfristigen Abwärtsmodus auch nachhaltig zu verlassen."

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

Montag, 4. Juli

USA: Feiertag, Independance Day. Die US-Märkte bleiben geschlossen.

Mittwoch, 6. Juli

8.00 Uhr. Deutschland: Auftragseingänge Mai. Die Commerzbank geht zwar davon aus, dass die Auftragseingänge gegenüber April um 1 Prozent gefallen sind. Allerdings spiele dies derzeit keine Rolle. Denn wegen der massiven Probleme in den Lieferketten habe sich bei den Industrieunternehmen in den vergangenen zwei Jahren ein riesiger Auftragsbestand aufgebaut. Die meisten Unternehmen würden daher auch bei deutlich weniger neuen Aufträgen ihre Produktion kaum herunterfahren.

20.00 Uhr. USA: Protokoll der Notenbanksitzung vom 14./15. Juni. Mit der stärksten Anhebung des Leitzinses seit 1994 hatte die Fed sowohl Anleihen- als auch Aktienkurse auf Talfahrt geschickt, wie die Deutsche Bank bemerkt. Der Bericht werde Anlegern mehr Einblicke in die wirtschaftlichen sowie geldpolitischen Erwartungen der Währungshüter gewähren.

Donnerstag, 7. Juli

8.00 Uhr. Deutschland: Industrieproduktion Mai. Die Commerzbank rechnet mit einem leichten Plus von 0,5 Prozent. Zumindest seien im Mai nach den Zahlen des Automobilverbandes VDA mehr Autos vom Band gerollt als im April. Hingegen dürfte die Produktion in den anderen Industriesektoren eher gefallen sein.

13.30 Uhr. Eurozone: Zusammenfassung der EZB-Ratssitzung vom 9. Juni. Die Zusammenfassung könnte laut DekaBank einen Eindruck vermitteln, unter welchen Umständen die EZB auch über den September hinaus Zinsschritte von mehr als 25 Basispunkten in Erwägung ziehen könnte.

Freitag, 8. Juli

14.30 Uhr. USA: Arbeitsmarktbericht Juni. Laut DekaBank klingt der pandemiebedingte Nachholeffekt am US-Arbeitsmarkt langsam ab, während die geldpolitische Straffung erst mit Verzögerung die Entwicklung belasten werde. Die Analysten gehen daher davon aus, dass der Arbeitsmarktbericht für Juni ein Zwischenereignis zwischen diesen beiden makroökonomischen Entwicklungen darstellen wird. Der Beschäftigungsaufbau werde sich verlangsamen, ohne vollkommen zum Erliegen zu kommen.

von: Anna-Maria Borse

4. Juli 2022, © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)