- von Christian Krämer und Jan Strupczewski

Königswinter (Reuters) - Die sieben führenden Industrienationen (G7) haben den Liquiditätsbedarf der von Russland angegriffenen Ukraine für die nächsten Monate gesichert.

Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte am Freitag auf dem Petersberg bei Bonn, die G7-Staaten hätten 9,5 Milliarden Dollar an neuen Hilfen zugesagt, der Großteil davon in Zuschüssen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. "Die Erwartungen wurden übererfüllt." Im Vorfeld war intern aber das Ziel ausgegeben worden, in etwa 15 Milliarden Dollar für drei Monate zusammenzubekommen. Lindner sagte, die Gelder würden jetzt schnell fließen. Auf absehbare Zeit sei die Liquidität der Ukraine gesichert, zusammen mit Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Weitere Finanzierungsrunden seien erst mal nicht nötig.

Von den 9,5 Milliarden Dollar bringen allein die USA 7,5 Milliarden ein, Deutschland eine Milliarde. Diese Teile sind Zuschüsse. Der Rest sind laut Bundesfinanzministerium Garantien und Kredite. "Es haben alle sich beteiligt", sagte Lindner. Italiens Finanzminister Daniele Franco bekräftigte in Königswinter, einen Kredit von 200 Millionen Euro geben zu wollen. Japan hatte am Donnerstag schon mitgeteilt, seine kurzfristigen Hilfen um 300 Millionen Dollar aufzustocken.

Die EU-Kommission hatte diese Woche angekündigt, bis zu neun Milliarden Euro an Krediten zur Verfügung stellen zu wollen, mit langen Laufzeiten und Vorzugszinsen. Diese zusätzliche Maßnahme sei zu begrüßen, betonten die G7-Staaten - die USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien - in ihrem Abschlussdokument.

Darin heißt es auch, über Entwicklungsbanken seien weitere 3,4 Milliarden Dollar an Hilfen für ukrainische Unternehmen geplant. Außerdem hat laut Bundesfinanzministerium der IWF bereits 10,3 Milliarden Dollar ausbezahlt oder der Ukraine zugesagt. Die neu zugesagte Milliarde Deutschlands soll auch über ein IWF-Konto an die Ukraine fließen.

"INFLATION IST ENORME GEFAHR"

Die Krieg in der Ukraine war das beherrschende Thema bei dem G7-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs. Er hat die ohnehin schon hohe Inflation in den vergangenen Monaten weiter angeheizt - vor allem bei Energie und Lebensmitteln. Die G7-Gruppe sei entschlossen zu handeln und Inflation zu stoppen, so FDP-Chef Lindner. "Wir sehen in Inflation eine enorme Gefahr." Vor allem die Notenbanken hätten deswegen jetzt eine große Verantwortung. Ziel müsse es sein, die Teuerungsrate schnell wieder Richtung zwei Prozent zu bringen, dem offiziellen Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Davon ist die EZB aber derzeit meilenweit entfernt. In Deutschland lag die Inflationsrate im April zum Beispiel mit 7,4 Prozent so hoch wie seit 1981 nicht mehr. Experten raten laut Lindner von Preiskontrollen ab. Dies plane die Bundesregierung auch nicht, eher seien in bestimmten Bereichen Steuersenkungen denkbar.

Die G7-Staaten haben Lindner zufolge auch diskutiert, eingefrorenes Vermögen der russischen Zentralbank zu beschlagnahmen. Dies sei eine Option, die noch genauer geprüft werden müsse. So könnte der Wiederaufbau der Ukraine finanziert werden. Schätzungen von Ökonomen zu den voraussichtlichen Kosten sind noch nicht sehr präzise - reichen in etwa von 500 Milliarden bis zwei Billionen Euro. Vor allem die Länge des Konflikts wird dabei entscheidend sein. Auch Sonderzölle auf russische Öllieferungen wurden debattiert. Die Idee hatten die Amerikaner ins Spiel gebracht. Teilweise werden dann aber weitere Preissprünge befürchtet.

Die G7-Gesundheitsminister beschlossen unterdessen bei ihrem Treffen in Berlin einen Pakt zur Bekämpfung von Pandemien. Ziel sei es, Ausbrüche künftig schneller zu erkennen und effektiver darauf zu reagieren. Dafür sollen weltweit Expertennetzwerke aufgebaut werden. "Diese Pandemie wird nicht die letzte sein", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. "Wir müssen heute vorsorgen, um morgen nicht wieder überrascht zu werden."

(Weitere Reporter: Paul Carrel, Frank Siebelt und Francesco Canepa, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)