Berlin (Reuters) - Wirtschaftsminister Robert Habeck hat nach Vorwürfen zu den Umständen des Atomausstiegs volle Transparenz zugesagt, ein Fehlverhalten aber von sich gewiesen.

"Die Unterlagen erzählen eine andere Geschichte, als es kolportiert wurde", sagte der Grünen-Politiker am Freitag in Berlin. Sein Ministerium und auch er persönlich seien aktiv auf die Betreiber der letzten Atom-Meiler zugegangen, um zu prüfen, ob ein längerer Betrieb möglich sei. "Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität", sagte er am Rande einer Sondersitzung des Energie-Ausschusses, den die Union beantragt hatte. Es seien alle Möglichkeiten ausgelotet worden. "Insofern ist also die Annahme, dass da eine Art Geheimwissen wäre, das mich nicht erreicht hätte, falsch."

Das Magazin "Cicero" hatte Akten aus Wirtschafts- und Umweltministerium veröffentlicht, die nach Darstellung des Mediums den Eindruck vermitteln können, dass Bewertungen der Fachebene der Ressorts so geändert wurden, dass ein längerer Weiterbetrieb der Reaktoren unmöglich erschien.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte vor einer Sitzung des Ausschusses für Umwelt und nukleare Sicherheit, sie könne alle Vorwürfe entkräften: "Selbstverständlich können wir alle diese Vorgänge transparent und nachvollziehbar diskutieren", sagte sie zum Auftakt der Sondersitzung. Ihre Beamten hätten intensiv gerprüft, unter welchen Bedingungen ein Weiterbetrieb möglich sei. Es sei darum gegangen, dass man die nukleare Sicherheit im Land jederzeit gewährleisten müsse. Die jetzt veröffentlichten Unterlagen hätte ihr Ministerium zudem bereits vor über einem Jahr zur Verfügung gestellt.

FDP-EXPERTE: MINISTERIUMS-VERMERK WAR UNGLAUBWÜRDIG

Der FDP-Energieexperte Michael Kruse gab den Grünen-Ministern hingegen keine volle Rückendeckung. Im Ausschuss habe man neue Unterlagen erhalten, die man intensiv prüfe. Die FDP habe sich im Krisenjahr 2022 für einen Weiterbetrieb der AKW eingesetzt. Ein Vermerk des Wirtschaftsministeriums, der sich dagegen aussprach, hätte schon damals einer intensiven Prüfung nicht standgehalten. Das Wirtschaftsministerium argumentiert, wichtig seien die Aussage der AKW-Betreiber gewesen. Diese hätten im Frühjahr zunächst erklärt, die Reaktoren könnten keinen zusätzlichen Strom liefern. Später hätten sie erklärt, es seien geringe zusätzliche Mengen möglich. Dies habe letztlich dazu geführt, dass man einen sogenannten Streckbetrieb bis Mitte April 2023 beschlossen habe - also über das eigentlich vorgesehene Abschaltdatum Ende 2022 hinaus.

Die Union als größte Oppositionspartei hatte Habeck aufgefordert, die Umstände der Entscheidung des Atomausstiegs aufzuklären. Sie droht mit einem Nachspiel - etwa einem Untersuchungsausschuss. I

Habeck sagte am Rande einer Sondersitzung des Energie-Ausschusses im Bundestag, sein Ministerium sei bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 auf die AKW-Betreiber zugegangen. Nach Kriegsausbruch waren die Energiepreise zwischenzeitlich nach oben geschossen. "Die Energieversorgung ist komplett gesichert." Mittlerweile seien die Preise wieder runtergegangen, die Gasspeicher weitgehend voll. "Wir sind super durch die Krise gekommen."

Habeck versicherte, dem Ausschuss alle Daten zur Verfügung zu stellen. Den Atomausstieg hätten aber schon viele Jahre zuvor Union und FDP beschlossen. Zuletzt sei es nur noch um den Weiterbetrieb von drei Meilern um einige Monate gegangen.

(Bericht von Christian Krämer, Markus Wacket; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)