Von Rochelle Toplensky

NEW YORK (Dow Jones)--Der Ruf an der Wall Street nach "grüner" Energie hat Abspaltungen wieder auf die Tagesordnung der Energieproduzenten gesetzt. Und dieses Mal werden sich die europäischen Energieversorger eher von schmutzigen als von sauberen Anlagen trennen. Die Bewertungen für erneuerbare Energien haben im vergangenen Jahr stark zugelegt, was auf die Versprechen der Unternehmen zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen und die zunehmend ehrgeizigen Umstellungspläne der Regierungen zurückzuführen ist. Geld fließt in ESG-Investitionen, bei denen ökologische, soziale und gute Unternehmungsführung-Kriterien im Vordergrund stehen, was ein so genanntes "Greenium" für Aktien auslöst, die mit einem grünen Anstrich daherkommen.

Während fortschrittlich denkende Versorgungsunternehmen wie Nextera Energy, Iberdrola und Enel zu grünen Energieriesen aufgestiegen sind, wollen auch einige ihrer mittelgroßen europäischen Konkurrenten in den Genuss des "Greeniums" kommen. Eine Möglichkeit, den Anlegern eine saubere Botschaft zu vermitteln, besteht darin, den verschiedenen Teilen ihres Geschäfts eine eigene Börsenidentität zu geben.


 In späten 2000ern gab es bereits einen ähnlichen Trend 

An diesem Punkt standen sie schon einmal. In den späten 2000er Jahren brachten viele europäische Stromerzeuger ihre Geschäftsbereiche für erneuerbare Energien an die Börse. Sie verkauften Minderheitsbeteiligungen an externe Investoren, um von der Welle der Begeisterung für Wind- und Solarenergie zu profitieren. Als sich der Markt durch Höhen und Tiefen schlängelte, endeten die meisten schließlich wieder in den Händen ihrer Muttergesellschaften.

Der Unterschied besteht nun darin, dass die meisten Energieversorger ihr Kerngeschäft auf erneuerbare Energien ausrichten und darüber nachdenken, "alte" kohlenstofferzeugende Anlagen abzustoßen. Es wird erwartet, dass Wind- und Solarenergie in den nächsten Jahrzehnten dramatisch wachsen, während Anlagen, die mit Kohle, Kernenergie und in einigen Fällen sogar mit relativ sauberem Gas betrieben werden, allmählich auslaufen. Selbst ein kleiner Anteil an kohlebetriebener Stromerzeugung kann ESG-Käufer fernhalten.


 RWE mit ehrgeizigen Plänen 

Die an der deutschen Börse notierte RWE ist ein typisches Beispiel dafür. Das Unternehmen verfügt über große Wind- und Solaranlagen und hat ehrgeizige Pläne, diese auszubauen, um das Versprechen zu erfüllen, dass seine weltweite Stromerzeugung bis 2040 netto keine Kohlendioxid-Emissionen verursacht. Aber es erlöst auch immer noch fast ein Viertel seines Umsatzes im Jahr 2020 aus Kohle und der eng verwandten Braunkohle. RWE erwägt, seine Kohle- und Braunkohle-Aktiva abzuspalten - der Konzern hat eine vorläufige staatliche Zustimmung -, was seine Attraktivität für grüne Investoren erhöht.

Zwei in Paris börsennotierte Energieversorgungsunternehmen versuchen ebenfalls, ihr Angebot an sauberer Energie zu verbessern. Die staatlich kontrollierte Électricité de France (EDF) arbeitet an Plänen zur Aufspaltung in eine auf Atomkraft fokussierte "blaue EDF" und eine auf erneuerbare Energien fokussierte "grüne EDF". Konkurrent Engie strukturiert sein Geschäft ebenfalls um, um sich auf saubere Energie zu konzentrieren, allerdings wahrscheinlich eher durch Verkäufe als durch separate Börsengänge.


 Clevere Strategien nötig zur Abwicklung der Altlasten 

Abspaltungen belohnen typischerweise frühe Investoren. Seit dem Jahr 2000 haben sich europäische Unternehmen, die börsennotierte Tochtergesellschaften gegründet haben, im Jahr vor der Ankündigung bis zur Fertigstellung besser entwickelt als der Markt, danach jedoch schlechter, so eine Analyse von Morgan Stanley. Fast zwei Drittel der Abspaltungen selbst schnitten in ihrem ersten Jahr ebenfalls besser ab als der Markt.

Ob sich dieses Muster bei den nächsten Abspaltungen von Versorgungsunternehmen fortsetzt, hängt zum Teil davon ab, wie die Unternehmen ihre Altlasten verpacken. Langfristig schrumpfende Anlagen, insbesondere solche mit einem ökologischen Stigma, müssen wahrscheinlich mit gut entwickelten Strategien zu niedrigen Bewertungen vermarktet werden, um Interesse zu wecken. Investoren haben die besten Chancen, vom jüngsten Spinoff-Trend zu profitieren, wenn sie ein altes Börsensprichwort beherzigen: "Buy the rumor, sell the news".

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March 25, 2021 12:05 ET (16:05 GMT)