Eine etwas niedriger als erwartet ausgefallene US-Teuerungsrate sorgte am Donnerstag an den Börsen für Kapriolen. Der Nasdaq legte beispielsweise um ganze 7,5 % zu. Werte mit großer Hebelwirkung fanden viel Anklang bei Anlegern, die nach schnellen Gewinnmitnahmen suchten. Die Annahme, dass die US-Notenbank Fed nicht so weit wie befürchtet gehen muss, um die Inflation wieder auf ein gesundes Maß zurückzuführen, gewinnt am Markt zunehmend an Popularität. Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer, aber manchmal reicht sie aus, um einen wichtigen Wendepunkt zu markieren. So jedenfalls die Stimmungslage an den Märkten zum Wochenschluss.
Wochenperformance*
DAX
14224  +5.68%Chart
STOXX EUROPE 600
432.26  +3.66%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
3992.93  +5.90%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
28263.57  +3.91%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1771.20$  +5.89%
Chart GOLD
BRENT OIL
95.82$  -1.02%
Chart BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.04$  +4.28%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops

Country Garden (+76 %): Die rückläufige Inflation in den USA und die Lockerung der Gesundheitsschutzmaßnahmen in China führten gegen Ende der Woche zu einer massiven Markterholung, woraufhin Anleger sich wie verrückt auf chinesische Immobiliengesellschaften stürzten.

Fair Isaac (+33 %): Der Anbieter von Analyselösungen war zur rechten Zeit am rechten Ort, da er seine übrigens recht guten Quartalszahlen genau an dem Tag veröffentlichte, an dem der Nasdaq nach oben rauschte.

SolarEdge (+30 %): Die letzten Quartalsergebnisse des Herstellers von Wechselrichtern für Solarmodule zeigten ein gemischtes Bild, doch die Anleger konzentrierten sich auf die guten Neuigkeiten, wie die unerwartet soliden Prognosen für das Jahresende.

Delivery Hero (+25 %): Der Markt begrüßt die Aussicht, dass Delivery Hero im kommenden Jahr beim operativen Ergebnis die Gewinnschwelle erreichen könnte. Das deutsche Unternehmen will sich nun stärker auf seine Ergebnisse als auf das Wachstum konzentrieren.

Pandora (+23 %): Der dänische Schmuckhersteller hat gute Ergebnisse veröffentlicht und seine ehrgeizigen Jahresziele bestätigt. Die Erholung scheint den Prognosen zu entsprechen.

Meta (+23 %): Der Markt hat die Sparmaßnahmen des Tech-Giganten positiv aufgenommen. Das Unternehmen wird aus Rationalisierungsgründen weltweit 11.000 Stellen streichen. Die Finanzmärkte hoffen jetzt auf ein strafferes Management und eine fokussiertere Strategie.

ASML (+18 %): Der im Laufe der letzten Monate stark angegriffene Halbleitersektor zählt logischerweise zu den größten Nutznießern der Erholung.

Flops

Teleperformance (-29 %): Die Bekanntgabe einer Untersuchung der Arbeitsbedingungen in der kolumbianischen Konzernniederlassung sorgte für Zündstoff. Derartige Beschuldigungen gefallen dem Markt überhaupt nicht. Das Management wird die Krise bewältigen müssen, um negative Auswirkungen auf das Geschäft zu vermeiden.

Robinhood (-24 %): Der durch den Kollaps der Kryptobörse FTX bedingte Frust am Kryptowährungsmarkt belastet indirekt auch die Brokerfirma, wenngleich diese klargestellt hat, dass sie über kein direktes Engagement verfügt.

Coinbase (-13 %): Die gleiche Situation wie bei Robinhood, mit einem Kryptowährungs-Ökosystem, das eine neue große Krise durchmacht.

Equinor (-10 %): Das Revival der Technologiewerte belastet den Ölsektor, der den Anlegern einige Monate lang Zuflucht geboten hat.

Disney (-9 %): Der Titel musste nach mäßigen Quartalsergebnissen - wie eine Spekulationsaktie - starke Kurseinbußen hinnehmen. Die Zahlen zeigten, dass der Abonnentenzuwachs bei Disney+ teurer ist als geplant.

Tesla (-8 %): Elon Musks Hirngespinste in Bezug auf Twitter sind für die Aktionäre des Automobilherstellers wahrlich kein Vergnügen. Sie fürchten, dass sich der reichste Mann der Welt immer mehr verzettelt.

Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Ölpreise haben eine Pause eingelegt und wurden zu Beginn der Woche durch die Kehrtwende der chinesischen Führung belastet, die nun doch an ihrer Null-Covid-Strategie festhalten will. Der Markt hatte dagegen auf eine Lockerung der Corona-Politik gehofft, die mit einer zunehmenden Erholung der chinesischen Wirtschaft und letztendlich mit einer steigenden Nachfrage nach Erdöl einhergehen würde. Schließlich entfällt allein auf China fast die Hälfte des für 2023 erwarteten Nachfragewachstums. In den USA ist der Dieselpreis aufgrund der starken Nachfrage und historisch niedriger Vorräte weiter gestiegen. Diese Entwicklung setzt die amerikanische Regierung unter Druck, die bereits mit allen Mitteln versucht, den Höhenflug der Energiepreise zu bremsen. Die Nordseesorte Brent notiert bei rund 96 USD, während die US-Referenzsorte WTI mit 89 USD pro Barrel gehandelt wird. In Europa verschiebt sich die Heizperiode dank milder Temperaturen nach hinten, sodass sich die Gasspeicher weiter füllen. Der europäische Referenzpreis für Erdgas an der niederländischen Börse TTF liegt nun im Bereich von 120 EUR/MWh.

Metalle: Trotz uneinheitlicher Konjunkturindikatoren aus Peking legten die Preise für Basismetalle vergangene Woche zu. Die Metallbestände verharren insgesamt auf niedrigem Niveau, was die Produzenten dazu veranlasst, höhere Aufschläge von den Kunden zu verlangen, die auf schnelle physische Lieferungen aus sind. Eine Tonne Kupfer kostete diese Woche 8.060 USD, Aluminium 2.270 USD und Nickel 24.400 USD. Gold verzeichnete einen neuerlichen Aufwärtstrend und schloss über der Marke von 1.700 USD je Feinunze.

Agrarprodukte: Das französische Landwirtschaftsministerium hat seine Schätzung für die Maisproduktion von 11,4 auf 11 Millionen Tonnen nach unten korrigiert. Verantwortlich sind ganz offensichtlich die zahlreichen Dürreperioden, die sich in den Ernteerträgen niederschlagen. In den USA hat das amerikanische Landwirtschaftsministerium seine Prognosen für die Mais- und Sojaproduktion angehoben, allerdings nur moderat. Weizen und Mais werden mit 810 bzw. 660 Cent je Scheffel gehandelt.

Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Der Wendepunkt ist da. Darauf hatten die Märkte lange gewartet. Die Anleger suchten verzweifelt nach einem Signal, das die US-Notenbank Fed dazu bewegen könnte, ihre restriktive Geldpolitik zu mäßigen. Am Donnerstag war es dann so weit: Gegenüber dem Vorjahr fiel die Inflationsrate zwar noch immer recht hoch aus, sie blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück. Dieser Indikator liegt allen anderen Marktbewegungen zugrunde, zu denen es in dieser Woche kam und auf die wir weiter unten näher eingehen. Die jährliche Teuerung ist mit 7,7 % nach wie vor hoch. Der Kampf ist also wahrscheinlich noch nicht gewonnen, doch der Preisauftrieb ist den vierten Monat in Folge etwas niedriger ausgefallen. Somit rückt der Zeitpunkt, an dem die Fed nicht mehr den Spielverderber geben muss, automatisch näher. Das gilt natürlich nur unter ansonsten gleichbleibenden Bedingungen.

Anleihen: Die weiterhin leicht gedämpfte Inflation ließ die Rendite zehnjähriger US-Treasuries fallen. Diese sank von etwa 4,1 % vor der Bekanntgabe der Teuerungsrate auf 3,8 % danach. Die Zinskurve bleibt aber invers: US-Anleihen mit einer Laufzeit von drei und sechs Monaten werfen ebenso wie zwei- und fünfjährige Papiere noch immer höhere Renditen ab als zehnjährige Anleihen. Darin steckt aber auch eine gewisse Logik, denn nun ist für den Markt klar, dass die Wirtschaft ins Stocken geraten könnte. Auch in Europa entspannt sich die Lage - und dies trotz der in Deutschland im Oktober noch immer galoppierenden Inflation von 11,6 %. Zehnjährige deutsche Bundesanleihen rentieren mit 2,05 %, ihre französischen Pendants liegen bei 2,56 % und britische Gilts bei 3,33 %, was einem Rückgang von etwa 20 Basispunkten gegenüber der Vorwoche entspricht. Italienische Staatsanleihen gaben innerhalb weniger Tage von 4,44 % auf 4,04 % nach.

Devisen: Die dritte wichtige Entwicklung dieser Woche: Die Aussicht, dass die Fed bei ihren Zinsschritten den Fuß vom Gas nehmen könnte, ließ den US-Dollar abstürzen. Der Dollar-Index verlor allein am Donnerstag fast 2 % - eine bei diesem Index äußerst selten beobachtete Entwicklung, zu der es letztmalig im Jahr 2010 gekommen war. Der Euro erholte sich auf 1,0263 USD und erreichte damit den höchsten Stand seit Mitte August. Dabei war der US-Dollar in dieser Woche nicht einmal der größte Verlierer. Diese Rolle kam vielmehr dem brasilianischen Real zu, da er von den Verlautbarungen des neu gewählten Präsidenten Lula belastet wurde. Denn dieser stellte den in der Verfassung verankerten Grundsatz der Ausgabendisziplin in Frage. Infolgedessen stiegen der Euro und der US-Dollar auf 5,5028 BRL bzw. 5,3705 BRL. Auch der Yen profitierte von der Schwäche des Greenback. 1 US-Dollar kostete erstmals seit September etwas weniger als 140 JPY.

Kryptowährungen: Es war eine düstere Woche für die Digitalwährungen. Nach dem Kollaps der nach Handelsvolumen zweitgrößten Plattform FTX büßte der gesamte Kryptowährungsmarkt bis zum Redaktionsschluss 180 Mrd. USD an Wert ein. Inmitten der allgemeinen Panik ist der Bitcoin seit Montag um 20 % gefallen und notiert nun wieder bei etwa 16.500 USD. Ein Niveau, das er seit Ende 2020 nicht mehr erreicht hatte. Noch ist unklar, wie groß die Kollateralschäden der FTX-Insolvenz sein werden, doch dürfte dieses Ereignis auf jeden Fall in die Geschichte der Kryptowährungen eingehen. Derweil sehen die Kryptoanleger ihre digitalen Gewinne wie Schnee in der Sonne dahinschmelzen ...

Termine: Auch in der nächsten Woche stehen die US-Konjunkturindikatoren im Zentrum der Aufmerksamkeit, denn am Dienstag werden die Erzeugerpreise und der Empire State Index veröffentlicht, gefolgt von den Einzelhandelsumsätzen am Mittwoch. Am 15. und 16. November findet ein G20-Gipfel ohne Wladimir Putin statt, der nicht wie die anderen wichtigen Staats- und Regierungschefs der Welt auf der schönen Insel Bali präsent sein wird.

Kurs und Volumen
Disinflation verheißt Gutes
Der Rückgang der Inflation nach der Veröffentlichung der Zahlen des US-Verbraucherpreisindex wurde am Donnerstag von den Märkten sehr positiv aufgenommen. An den wichtigsten Börsenplätzen ging der Trend steil nach oben, und die US-Märkte erlebten so gute Handelstage wie seit über zwei Jahren nicht mehr. Doch das heißt noch lange nicht, dass der Bärenmarkt für dieses Jahr vorbei ist oder dass die lang erwartete Rezession doch nicht eintreten wird. Allenfalls kann man auf eine Verlängerung der aktuellen Bärenmarktrally hoffen. Auf jeden Fall sollten wir realistisch bleiben, denn eine einzige gute Nachricht begründet noch keinen Bullenmarkt - genauso wenig wie ein Sonnenbrand für Bräune sorgt.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.