Berlin (Reuters) - Angesichts hoher Inflationsraten pocht Kanzler Olaf Scholz auf ein gemeinsame Vorgehen von Politik und Sozialpartnern in den kommenden Wochen. "Wir stehen zusammen", sagte der SPD-Politiker am Montag nach der ersten sogenannten Konzertierten Aktion im Kanzleramt mit Gewerkschaften und Arbeitgebern. Es sei absehbar, dass die Inflation wegen des Krieges in der Ukraine, der Corona-Pandemie und abgerissenen Lieferketten noch auf absehbare Zeit anhalten werde. Allerdings zeigten sich nach dem Treffen bereits deutliche Unterschiede in der Frage, wie man auf hohe Preissteigerungen reagieren sollte. Sie habe kein Verständnis für Mahnungen aus der Politik, dass derzeit eine Lohn-Preis-Spirale drohe, sagte DGB-Chefin Yasmin Fahimi in Anspielung auf Mahnungen für zurückhaltende Lohnrunden. Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger forderte dagegen eine Abschaffung der sogenannten Kalten Progression in der Lohn- und Einkommenssteuer und setzte sich für steuerfreie Einmalzahlungen ein.

Scholz hatte am Montag Gewerkschaften, Arbeitgeber und Wissenschaftler nach dem Vorbild der Konzertierten Aktion des früheren SPD-Wirtschaftsministers Karl Schiller 1967 eingeladen. Er hatte sich zuvor besorgt gezeigt, dass die Erhöhung der Heizkostenabrechnungen um mehrere hundert Euro "sozialen Sprengstoff" in der Gesellschaft bedeuten würde. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert schloss sich dieser Warnung an.

Vor dem Treffen hatten Regierungs- und SPD-Vertreter Berichten widersprochen, dass ein Königsweg für die Entlastung der Beschäftigten Einmalzahlungen für Beschäftigte sein könnten. Es sei immer klar gewesen, dass das Treffen am Montag nur der Auftakt einer Gesprächsreihe sei, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Mit Ergebnissen sei im Herbst zu rechnen. Einmalzahlungen galten als attraktiv, weil sie höhere Kosten für den Moment ausgleichen können, ohne aber als Inflationstreiber zu wirken. Gewerkschaften fürchten aber, dass ihnen dieses Instrument als Ersatz für höhere Lohnforderungen angedient werden soll.

"Löhne sind aktuell kein Inflationstreiber", sagte BDA-Präsident Dulger. Aber er machte klar, dass die Arbeitgeber lieber auf Entlastungen wie etwa die Absenkung der Energiesteuern setzen würden. Auch FDP-Generalsekretär Bjan Djir-Sarai plädierte dafür, dass die Regierung die sogenannte kalte Progression bei der Lohn- und Einkommenssteuer abschaffen sollte.

SPD-Chefin Saskia Esken ermutigte die Gewerkschaften indes, hohe Lohnsteigerungen anzustreben. Die Inflation werde dauerhaft bleiben, sagte sie im Deutschlandfunk. "Deswegen müssen wir die Einkommen erhöhen." Bereits in 2021 habe es trotz steigender Inflation im Schnitt Lohnsteigerungen im Schnitt von nur zwei Prozent gegeben. "Es müssen jetzt kleine und mittlere Einkommen steigen." Ideen von Einmalzahlungen stammten nicht aus Kanzleramt oder SPD, "vor allem nicht in Kombination mit Lohnzurückhaltung". Das Gegenteil sei nun nötig.

Umstritten ist auch, ob es ein drittes Entlastungspaket zusätzlich zu den mehr als 30 Milliarden Euro aus den ersten beiden Paketen der Ampel-Koalition geben sollte. "Es ist offensichtlich, dass es weitere Entlastungen braucht", sagte etwa Grünen-Co-Chef Omid Nouripour mit Verweis auf die hohen Energiepreise. Allerdings könne der Staat nicht alles alleine auffangen. Bislang beschlossenen Entlastungen für Bürger und Unternehmen wirkten erst teilweise. Der FDP-Generalsekretär bremste dagegen bei weiteren staatlichen Hilfen: "Für dieses Jahr wird es keinen Raum oder keinerlei finanzielle Möglichkeit geben, weitere Entlastungspakete zu verabschieden."

Auf der Opposition kam deutliche Kritik. "Dieser 'Inflations-Gipfel' geht am Kernproblem vorbei", sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, der "Rheinischen Post". Der Staat sei durch seine hohen Steuern und Abgaben insbesondere auf Energie Hauptprofiteur der derzeitigen Preisexplosion. Vordringlich seien die Absenkung der Sozialabgaben auf deutlich unter 40 Prozent, die Anhebung der Einkommensschwelle für den Spitzensteuersatz, die Verankerung eines automatischen Inflationsausgleichs im Einkommensteuertarif und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle Steuerpflichtigen.

(Bericht von Andreas Rinke, Alexander Ratz und Christian Krämer; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)