Berlin (Reuters) - Sechs Jahre nach dem Brexit-Referendum über einen EU-Abschied Großbritanniens zieht der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) eine negative Bilanz.

"Die deutschen Investitionen in Großbritannien sind seither rückläufig, ebenso die Exporte - im Gegensatz zu anderen wichtigen europäischen Handelspartnern wie Frankreich, Italien oder auch Polen", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Während Großbritannien 2016 noch drittwichtigster Exportmarkt Deutschlands war, sei das Land mittlerweile auf Platz acht abgerutscht. Als Handelspartner - hier werden Exporte und Importe zusammengezählt - habe das Vereinigte Königreich seitdem sogar noch mehr an Bedeutung verloren und sei vom fünften auf den elften Platz abgesackt. Die Briten hatten sich am 23. Juni 2016 mit knapper Mehrheit für einen Austritt aus der Europäischen Union entschieden, der Anfang 2020 vollzogen wurde.

Die deutsche Wirtschaft blickt zugleich mit Sorge auf den Streit um das sogenannte Nordirland-Protokoll. "Es ist für die deutschen Unternehmen besorgniserregend, dass sich Großbritannien vom EU-Austrittabkommen samt Nordirland-Protokoll so stark distanziert", kritisierte Treier die aktuelle Entwicklung. Dadurch entstehe erhebliche Planungs- und Rechtsunsicherheit für international aktive deutsche Unternehmen. Die EU müsse hier weiter geschlossen und entschlossen agieren und die europäischen Wirtschaftsinteressen verteidigen. "Insbesondere die britischen Pläne zum Abweichen von EU-Regeln und Standards etwa im Datenschutz, bei Lebensmitteln oder in der Chemie unterminiert ganz konkret die notwendige Planbarkeit im UK-Geschäft von deutschen Unternehmen", sagte Treier.

Die britische Regierung hatte das Nordirland-Protokoll selbst im Rahmen des EU-Austritts ausgehandelt, die Vereinbarung inzwischen aber für nicht praktikabel erklärt. Sie sieht für Nordirland besondere Zollregeln vor, um die aus historischen Gründen sensible Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Staat Irland offen zu halten - auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern.

Deutsche Unternehmen haben dem DIHK zufolge in Großbritannien rund 2500 Niederlassungen und beschäftigen über 400.000 Mitarbeiter. Umgekehrt haben britische Unternehmen in Deutschland etwa 1500 Niederlassungen mit knapp 300.000 Mitarbeitern.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Rüttger - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)