Frankfurt/Helsinki (Reuters) - Die durch den Ukraine-Krieg verstärkte Inflation liefert aus Sicht von Finnlands Notenbankchef Olli Rehn der EZB die Begründung für eine beschleunigte Abkehr von ihrer lockeren Geldpolitik.

"Angesichts der stark steigenden Inflation hat es gute Gründe gegeben, die Normalisierung der Geldpolitik zu beschleunigen", erklärte Rehn am Dienstag in einer Mitteilung der finnischen Notenbank. "Die Auswirkungen des brutalen Krieges sind weltweit zu spüren und die Menschen müssen höhere Preise für Energie und Lebensmittel zahlen", führte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) aus.

Die EZB hatte auf ihrer Zinssitzung im Juni angesichts der rasant steigenden Inflation für Juli die erste Zinserhöhung seit elf Jahren angekündigt. Die EZB will dann die wichtigsten Leitzinsen um jeweils 0,25 Prozentpunkte anheben. Für ihr Zinstreffen im September peilt sie einen zweiten Schritt nach oben an, der womöglich noch stärker ausfallen soll. Die Inflation im Euro-Raum war im Mai auf ein Rekordniveau von 8,1 Prozent nach oben geschnellt.

Sollten die mittelfristigen Inflationsaussichten unverändert bleiben oder sich sogar verschlechtern, könne die EZB im September die Zinsen kräftiger anheben, sagte Rehn auf einer Pressekonferenz in Helsinki. "Ich halte das für sehr wahrscheinlich", fügte er hinzu. Rehns Ratskollege, der slowakische Notenbankchef Peter Kazimir, hatte sich unlängst für eine Anhebung um 0,50 Prozentpunkte im September ausgesprochen.

KEIN AUTOMATISMUS BEIN NEUEM GELDPOLITIK-WERKZEUG

Zum geplanten neuen geldpolitischen Werkzeug gegen eine unerwünschte Ausweitung der Renditeabstände (Spreads) zwischen den Staatsanleihen der Euro-Länder sagte Rehn, dass Staaten nicht automatisch in den Genuss dieses Instruments kommen werden. "Das ist eine umfassende Analyse, und für ein Urteil muss es viel Spielraum geben." Diese Beurteilung werde beim EZB-Rat liegen. "Wir werden auf Grundlage mehrerer Parameter, mehrerer Kriterien urteilen, und bei der Entscheidungsfindung werden wir eine umfassende, ganzheitliche Analyse heranziehen." Bei dem neuen Werkzeug dürfte es sich aller Voraussicht nach um ein neuartiges Anleihenkaufprogramm handeln.

Die Renditeabstände, die sogenannten Spreads, zwischen den Staatsanleihen Deutschlands und denen südlicher Euro-Länder wie Italien hatten sich am Anleihemarkt zuletzt stark ausgeweitet. Dies hat Sorgen ausgelöst, eine neue Euro-Krise könne entstehen. Denn für stark verschuldete Euro-Länder bedeuten die höheren Risikoaufschläge steigende Finanzierungskosten. Die EZB spricht in diesem Zusammenhang von einer Gefahr der Fragmentierung im Euro-Raum, die es zu verhindern gelte. "Man muss das im Keim ersticken", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Montag im EU-Parlament. Das geplante neue Werkzeug soll maßgeschneidert zur Bekämpfung dieser Gefahr dienen.

(Bericht von Anne Kauranen, Frank Siebelt, redigiert von Christian Rüttger.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)