Die Hoffnung auf ein langsameres Tempo der Zinserhöhungen sowie sinkende Anleiherenditen belebten in der vergangenen Woche die Risikobereitschaft und bescherten den europäischen Börsen letztendlich ein ordentliches Plus. Die US-Märkte zeigten sich allerdings deutlich nervöser. So mussten amerikanische Technologieriesen nach Veröffentlichung ihrer aktuellen Zahlen kräftige Kursverluste hinnehmen. Jetzt blicken die Marktteilnehmer gespannt auf die US-Notenbank und ihre Zinsentscheidung am Mittwoch. Der Zinsausblick der Federal Reserve könnte erneut zu Indexschwankungen führen.
Wochenperformance*
DAX
13243  +4.03%Chart
STOXX EUROPE 600
410.76  +3.65%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
3901.06  +3.95%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
27105.20  +0.80%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1644.30$  -1.02%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
94.14  +0.47%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.00$  +1.05%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops

Medpace (+38 %): Der Zulieferer der Biotech-Branche veröffentlichte sehr überzeugende Ergebnisse und konnte daher seine Ziele spektakulär anheben.

Canopy Growth (+25 %): Der kanadische Cannabis-Spezialist machte diese Woche einen Sprung nach oben, nachdem er die Gründung einer Holdinggesellschaft angekündigt hatte, um seinen Eintritt in den US-Markt voranzutreiben. Der Sektor bleibt jedoch volatil, zumal die US-Zwischenwahlen bei einem Sieg der Republikaner die Lage verändern könnten.

SMA Solar (+22 %): Der deutsche Konzern erhöhte seine Prognose aufgrund des hohen Auftragseingangs und einer verbesserten Verfügbarkeit von elektronischen Bauteilen. Dem Unternehmen zufolge dürfte sich das EBITDA im Geschäftsjahr auf 60-75 Mio. EUR belaufen. Zuvor war es mit 10-60 Mio. EUR veranschlagt worden.

Servicenow (+15 %): Der Anbieter von digitalen Dienstleistungen für Unternehmen überraschte positiv, denn die wiederkehrenden Umsatzerlöse dürften im 4. Quartal sehr stark steigen. Dem Markt gefällt die hohe Prognosesicherheit.

Caterpillar (+11 %): Der US-amerikanische Konzern übertraf die Gewinnerwartungen für die Sommermonate. Das Management rechnet mit einer anhaltend positiven Dynamik. Gleichzeitig kündigte Caterpillar einen Vergleich über 740 Mio. USD zur Beilegung eines seit 15 Jahren andauernden Steuerstreits in den USA an.

Air Liquide (+7 %): Der französische Spezialist für Industriegase veröffentlichte für das 3. Quartal solide Geschäftszahlen. Das Unternehmen bestätigte seinen Ausblick.

Flops

Meta Platforms (-25 %): Einmal mehr enttäuschten die Ergebnisse des Konzerns, der daraufhin an der Börse erneut abstürzte. Doch folgten ihm in dieser Woche auch andere Tech-Größen wie Amazon, Alphabet und Microsoft auf dem Fuße.

Tod's (-21 %): Die Gründerfamilie Della Valle hat es nicht geschafft, im Rahmen ihres Übernahmeangebots die Schwelle von 90 % der Anteile am Unternehmen zu erreichen. Sie verzichtete daher auf die Fortführung der Transaktion, was den Kurs wieder nach unten drückte.

Uniper (-18 %): Der deutsche Energiekonzern, der am Tropf des Staates hängt, befürchtet für das laufende Geschäftsjahr aufgrund der Energiekrise in Europa einen Nettoverlust von über 3 Mrd. EUR.

Prosus (-16 %): Der Konzern, der an mehreren Digitalunternehmen - vor allem in China - beteiligt ist, litt unter dem Einbruch der Technologiewerte in Hongkong am Montag.

Crédit Suisse (-12 %): Der umfassende Plan zur finanziellen Restrukturierung der Schweizer Bank kann nicht richtig überzeugen. Es bleibt noch viel zu tun, um das Image wieder aufzupolieren und die Bank zu rekapitalisieren.

 

Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: An den Ölmärkten hat sich die allgemeine Stimmung aufgehellt. Die Marktteilnehmer begrüßten zum einen die Aufstockung der chinesischen Ölimporte und zum anderen die dynamische Entwicklung des US-amerikanischen BIP im 3. Quartal. Dieses stieg um 2,60 %, während die Analysten nur mit 2,30 % gerechnet hatten. Deren Hauptaugenmerk lag diese Woche jedoch auf den großen Energieunternehmen, die im 3. Quartal durchweg massive Gewinnsteigerungen vermeldeten. Total, Equinor, Chevron, Exxon Mobil... alle diese Unternehmen konnten dank der steigenden Öl- und Gaspreise hervorragende Ergebnisse erzielen. Diese Zahlen treffen jenseits des Atlantiks auf Kritik - insbesondere seitens der Biden-Regierung. Diese argumentiert, dass die Ölmultis nicht genug investieren, um ihre Produktion zu steigern. Die Nordseesorte Brent notiert bei rund 94 USD, während die US-Referenzsorte WTI mit 88 USD pro Barrel gehandelt wird. Beim Erdgas sank der europäische Referenzpreis am niederländischen Handelsplatz TTF infolge der milden Temperaturen in Europa weiter auf 113 EUR/MWh.

Metalle: Nach der Londoner Metallbörse LME und dem Weißen Haus hat nun auch der Aluminiumhersteller Norsk Hydro Sanktionen gegen russische Metalle gefordert. Aluminium verteuerte sich daraufhin in London auf 2.300 USD pro Tonne. In China meldete das Nationale Amt für Statistik in seinem jüngsten Bericht, dass im September 5,8 % mehr raffiniertes Kupfer produziert wurde als im Vorjahr.

Agrarprodukte: Die Getreidepreise an der Börse in Chicago haben sich weitgehend stabilisiert. Weizen und Mais werden mit 830 bzw. 680 Cent je Scheffel gehandelt. Ein viel beachtetes Thema ist derzeit die Zukunft des Seekorridors im Schwarzen Meer, über den die Ukraine ihr Getreide in die ganze Welt exportieren kann.

 

Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Ein bisschen lockerer, Mr. Powell! In den letzten Tagen gab es eine Fülle wichtiger makroökonomischer Daten, darunter mehrere geldpolitische Entscheidungen (Bank of Canada, Bank of Japan, Europäische Zentralbank) und zahlreiche Konjunkturindikatoren. Das Fazit lautet: Die Wirtschaft stockt, steht aber nicht vor dem Zusammenbruch. Außerdem haben die Anleger bemerkt, dass die Entschlossenheit der Zentralbanken zur Fortsetzung ihres Zinsstraffungszyklus erste Risse zeigt. Vor diesem Hintergrund starteten Aktien mit fulminanten Kursgewinnen in die Woche. Im weiteren Verlauf quittierten die Aktien der US-Technologieriesen die Veröffentlichung einer Reihe schlechter Ergebnisse allerdings mit heftigen Verlusten.

Anleihen: Anleger wetten nun auf eine weniger aggressive Fed. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen sank daher wieder unter 4 %. Inzwischen ist die Verzinsung in allen kürzeren Laufzeitensegmenten höher. Das bedeutet zweierlei: Erstens fürchten die Marktteilnehmer eine Rezession in den USA und zweitens gehen sie davon aus, dass sich der Zinsstraffungszyklus dem Ende zuneigt. Auf dem europäischen Festland war die von der EZB am Donnerstag verkündete Zinserhöhung um 75 Basispunkte erwartet worden. Dennoch kletterten die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen und italienischer Staatsanleihen auf 2,11 % bzw. 4,19 %. Die Renditen britischer Staatsanleihen sanken dagegen auf 3,47 %, nachdem Rishi Sunak zum Nachfolger von Liz Truss ernannt wurde. Sunak gilt als relativ vernünftige Besetzung für das Amt des Premierministers.

Devisen: An den Devisenmärkten bewirkte die Hoffnung auf ein Einknicken der US-Währungshüter, dass der US-Dollar nachgab. Die EZB erhöhte den Leitzins währenddessen um 75 Basispunkte. Der Euro profitierte davon und erreichte wieder die Parität zum Greenback. Seit Anfang Oktober legte die US-Währung gegenüber dem Yen weiter zu, wohingegen sich der Trend gegenüber dem Rubel allmählich wendet. In Europa konnte sich das Pfund Sterling dank der Stabilisierung der Lage in London etwas erholen (0,864 GBP je 1 EUR). Gegenüber dem Schweizer Franken stieg die Gemeinschaftswährung auf 0,9912 CHF.

Kryptowährungen: Für Kryptoanleger gab es diese Woche wieder einen kleinen Funken Hoffnung: Der Bitcoin beendete eine lange Phase niedriger Volatilität und ist seit Montag um fast 5 % gestiegen. Bei Redaktionsschluss bewegte sich die Digitalwährung im Bereich von 20.500 USD. Ether überholte den Bitcoin allerdings deutlich und rückte im selben Zeitraum um 16 % vor. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Risikolust am Markt für Kryptowährungen in dieser Woche wieder erwacht ist. Die optimistischere Stimmung wird von der Hoffnung getragen, dass die Zentralbankmaßnahmen in den kommenden Monaten riskanten Anlagen zugutekommen werden.

Termine: Die nächsten zwei Wochen werden für die Finanzmärkte und wohl auch für das Weltwirtschaftssystem insgesamt entscheidend sein. Erstens wird die US-Notenbank am Mittwoch eine neue geldpolitische Entscheidung treffen und ihre Einschätzung zum aktuellen Umfeld erläutern. Wie allseits bekannt sein dürfte, hoffen die Anleger, dass Fed-Chef Jerome Powell seine Rhetorik wenigstens ganz leicht abschwächen wird. Zweitens stehen am 8. November in den USA die Zwischenwahlen an. In einem extrem polarisierten Land hätte eine Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten der Republikaner weitreichende Folgen.

Kurs und Volumen
Zwei äußerst riskante Wochen
Die Berichtssaison für das 3. Quartal geht nächste Woche weiter, wenngleich der Höhepunkt bereits hinter uns liegt. Microsoft, Alphabet, Amazon und Meta (ehemals Facebook) wurden heftig abgestraft. Das verdeutlicht, dass die Technologie-Schwergewichte nicht mehr unantastbar sind. In mehreren Sektoren verbessern sich die Zahlen dagegen und trotzen dem eher schwierigen makroökonomischen Umfeld. In der ersten Novemberhälfte werden die US-Geldpolitik (Mittwoch, 2.11.) und die Zwischenwahlen in den USA (Dienstag, 8.11.) im Rampenlicht stehen.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.